Die Prokuratoren von Iudaea

Statthalter Roms im Heiligen Land

von Jörg Dendl
Update: 06. Juni 2012

Inhalt
Einleitung 05.05.2004
1. Teil: Historischer Abriss 05.05.2004
Augustus 05.05.2004
Tiberius 05.05.2004
Caligula 05.05.2004
Claudius 05.05.2004
Nero 05.05.2004
Anmerkungen 05.05.2004
Literaturliste 05.05.2004
Quellenausgaben 05.05.2004
Forschungsliteratur 05.05.2004
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Einleitung


"In Roman eyes Judaea was an unimportant province and most events there were too insignificant to merit a place in the record of the empire ..." [1]

Iudaea war sicherlich nicht die wichtigste Provinz des Imperium Romanum, und sie hätte auch in der Geschichtsschreibung und im Denken der Menschen nie einen größeren Rang als eine der anderen procuratorischen Provinzen eingenommen, wäre es zur Zeit der römischen Besetzung nicht zu zwei Ereignissen von späterhin welthistorischer Tragweite gekommen.

Zum einen war dies der Prozess gegen Jesus von Nazareth, zum anderen der große Aufstand gegen die römische Besatzung in den Jahren 66 bis 70. In beide Ereignisse waren die jeweils amtierenden Statthalter Roms in Iudaea involviert. Als Jesus nach dreijähriger Predigttätigkeit in Galiläa im Jahr 33 nach Jerusalem kam und seine Predigten auch dort fortsetzte, immer in Konfrontation mit den sich gesetzestreu gebenden Vertretern des "offiziellen" Judentums, sahen sich Kreise der Priesterschaft veranlaßt, ihn zu beseitigen. Der Vorwurf der Gotteslästerung war schnell erhoben, wenn diese Anklage auch auf tönernen Füßen stand. Bei einer Verurteilung erwartete den Angeklagten die Todesstrafe. Doch zur Zeit der römischen Besetzung Iudaeas war es kein leichtes Unterfangen, einen Mann wegen dieses Vorwurfs zum Tode zu verurteilen. Die römischen Machthaber beanspruchten für sich die Rechtsprechung in Kapitalprozessen. Und der Exponent dieses Anspruchs war der Statthalter, dem die Rechtsprechung in Iudaea oblag, im Falle des Jesus von Nazareth Pontius Pilatus. An der Entwicklung hin zu dem katastrophal endenden Aufstand der Juden gegen die römische Macht hatte die schlechte Amtsführung der Statthalter nicht wenig Anteil, so jedenfalls sieht es Flavius Josephus, der Chronist der jüdischen Geschichte dieser Zeit.

In dieser Darstellung soll die Geschichte der Statthalter von Iudaea nachgezeichnet werden, wie sie sich nach den Quellen darbietet. Das Amt des Statthalters hatte eine Entwicklung, verschiedene Amtsinhaber nutzten ihre Befugnisse unterschiedlich und auch der Einfluß der Legaten von Syrien und der Kaiser auf die Amtsführung des Statthalters von Iudaea war nicht immer gleichbleibend. Über den Lebenslauf einzelner Statthalter ist nur wenig bekannt, geringes nur über ihre Zeit vor dem Amtsantritt, einseitig Negatives aus der Zeit ihrer Anwesenheit in Iudaea und allzu oft endete die Amtszeit mit einer schmachvollen Ablösung, wenn überhaupt etwas über die Zeit "nach Iudaea" bekannt ist.

Diese Umstände erklären sich in erster Linie aus den zur Verfügung stehenden Quellen. Der einzige Historiker, der sich den Statthaltern von Iudaea mehr oder weniger ausführlich widmet, ist der jüdische Autor Flavius Josephus. Doch hat seine Darstellung den Makel, dass er nur das Wirken dieser Männer in Iudaea beschreibt, und nur marginale Hinweise auf deren sonstiges Leben gibt. Einzelne werden nur mit dem Namen erwähnt, und es wird nicht über deren Amtsführung oder Ereignisse während ihrer Amtszeit berichtet. Auch finden sich in den ansonsten sehr ausführlichen Werken des Josephus nur wenige Daten, was zu einigen Unsicherheiten in der Datierung der Amtszeiten führt.

Eine weitere Quelle bildet die Schrift Legatio ad Gaium des Philo von Alexandria. Er war im Jahr 40 als Leiter einer Gesandtschaft nach Rom gereist, um gegen die vom Präfekten Flaccus geduldeten Ausschreitungen der Alexandriner gegen die Juden zu protestieren. Über diese Gesandtschaft berichtet er in seiner Schrift "Legatio ad Gaium". Darin erwähnt er auch einige Verfehlungen, deren sich insbesondere Pontius Pilatus den Juden gegenüber schuldig machte, aber auch das Verhalten des syrischen Legaten P. Petronius während der Krise um die Aufstellung eines Caligula-Standbildes im Tempel von Jerusalem zeichnet Philo nach.

Einige wenige Nachrichten über Iudaea und seine Statthalter finden sich auch in den Schriften des Tacitus und Suetons. Aus diesen allein ließe sich allerdings kein vollständiges Bild der Tätigkeit der Statthalter erstellen, lediglich zu einzelnen sind darin Informationen zu finden.

Die Nachrichten, die für eine historische Untersuchung die meisten Probleme aufwerfen, finden sich in den Evangelien und in der Apostelgeschichte. Hier finden sich die einzigen Belege für die Auseinandersetzung der römischen Verwaltung in den ersten Jahrzehnten des 1. Jahrhundert nach Christi Geburt mit dem aufkommenden Christentum in Palästina.

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I. Teil: Historischer Abriss


Die Eingliederung Iudaeas in das Imperium Romanum unter Augustus:
Die ersten Statthalter von 6 bis 14

Nach dem Tod König Herodes des Großen [2] wurde sein Herrschaftsgebiet von Kaiser Augustus (Ks. 27 v.Chr. - 14 n.Chr.) in eine römische Provinz umgewandelt. Der besondere Status dieser kleinen Provinz drückte sich darin aus, dass sie einem Ritter (eques) unterstellt wurde.

Der erste römische Statthalter von Iudaea war Coponius, der gemeinsam mit dem neu ernannten Legaten für die Provinz Syria, P. Sulpicius Quirinius, sein Amt antrat. [3] Kaiser Augustus hatte ihn mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet, insbesondere mit dem Recht, die Todesstrafe zu verhängen [4]. Iudaea war nach Flavius Josephus der Provinz Syria angeschlossen worden [5], doch ist davon auszugehen, dass der Statthalter weitestgehend frei in seinem Amtsbereich handeln konnte. Nur in einigen Krisensituationen in späterer Zeit sollten die Legaten von Syrien oder die Kaiser eingreifen. Durch diesen Umstand war Josephus anscheinend veranlasst zu glauben, der Legat von Syrien habe die eigentliche Oberhoheit.

Die erste Aufgabe des Quirinius war es, in Iudaea eine Schätzung vorzunehmen und den Besitz des Archelaos zu verkaufen [6]. Ein Teil der Bevölkerung ließ auf den Rat des Hohepriesters Joazar hin die Schätzung ohne Widerstand vornehmen. [7] Gegen die Besteuerung zettelte ein Mann aus Galiläa namens Judas, eine Revolte an. [8] Zusammen mit einem Pharisäer namens Zadok [9] gründete Judas eine neue Sekte [10].

Dieser Census des Jahres 6 [11] war die alleinige Aufgabe des Quirinius, der judäische Statthalter Coponius hatte dabei anscheinend keine Funktion. Der Legat von Syrien ersetzte auch den Hohepriester Joazar durch Ananus. [12]

Für die Amtszeit des Coponius erwähnt Falvius Josephus einen Vorfall, bei dem Samaritaner den Tempel in Jerusalem mit menschlichen Gebeinen verunreinigten. [13] Kurz darauf ging Coponius zurück nach Rom.[14] Anscheinend war er nicht unbeliebt bei den Juden, denn sie benannten sogar eines der Tore des Tempels nach ihm. [15]

Über die Amtszeit des auf Coponius folgenden Statthalters mit Namen Ambibulus hat Flavius Josephus keine Nachrichten. [16] Auch für die Amtszeit des Annius Rufus, während der im Jahr 14 Kaiser Augustus starb, sind keine Nachrichten überliefert. [17] Da Flavius Josephus ansonsten Aufstände und Zwischenfälle in Iudaea immer mit der Amtsführung des jeweiligen Statthalters in Verbindung bringt, ist zu schließen, dass die Lage in der Provinz in diesen Jahr wirklich ruhig war.

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Die Praefecti des Tiberius (14-37)

Als Tiberius (Ks. 14-37) auf den Kaiserthron kam, ersetzte er den Statthalter Annius Rufus durch Valerius Gratus. [18] Gratus enthob den Ananus des Hohenpriesteramtes und ernannte an dessen Stelle Ismael. Es ist zu vermuten, dass Gratus sich das Recht zur Einsetzung des Hohepriesters anmaßte, denn Ananus selbst war vom syrischen Legaten eingesetzt worden. Da der Statthalter bei diesem Vorgehen offensichtlich auf keinerlei Widerstand stieß, tauschte er in der folgenden Zeit die Hohepriester in schneller Folge aus. Ismael wurde wenig später durch Eleazar, den Sohn des Ananus ersetzt. Schon ein Jahr darauf wurde Simon zum Hohepriester ernannt. Auch er war nur wenig mehr als ein Jahr im Amt und wurde durch Joseph Kaiphas ersetzt. [19]

Die schnelle Abfolge der Hohepriesterablösungen und die dann folgende lange Amtszeit des Joseph Kaiphas, der bis zum Jahr 36 im Amt blieb, mag ihre Ursache darin haben, dass gegen den offensichtlichen Amtsmißbrauch des Valerius Gratus von höherer Stelle eingeschritten wurde. Dem Bericht des Flavius Josephus nach begann Gratus mit seiner eigenwilligen Politik gleich nach seiner Ankunft in Iudaea. Auffälligerweise fällt aber das Ende der eigenmächtigen Ab- und Einsetzungen der Hohepriester mit der Anwesenheit des Germanicus im Osten des Reiches zusammen. Dieser bereiste seit dem Jahr 17 den Osten und traf im Jahr 19 in Syrien ein. Dort war er am Anfang des Jahres mit der Beilegung der Thronschwierigkeiten Armeniens beschäftigt. Im Frühjahr machte er sich dann auf eine längere Ägyptenreise, von der er im Herbst nach Antiochia zurückkehrte. Hier, an der Residenz des Legaten von Syrien, mag an ihn auch das Problem mit dem seine Kompetenzen überschreitenden Praefectus Valerius Gratus an ihn herangetragen worden sein. Und so wird bei dieser Gelegenheit eine strenge Weisung an diesen ergangen sein, sich in Hinsicht auf die Ein- und Absetzung der Hohepriester zurückzuhalten. [20] Bis Agrippa II. das alleinige Recht zur Berufung der Hohepriester erhielt, konnten nur die Legaten von Syrien den Inhaber dieses Amtes bestimmen.

Nach 11 Jahren als Statthalter von Iudaea kehrte Valerius Gratus wieder nach Rom zurück. [21] Zu schwerwiegenden Vorfällen war es auch während seiner Amtszeit nicht gekommen. Nun übergab Tiberius dem Pontius Pilatus das Amt des Praefectus Iudaeae [22]. Er ist unter den Statthaltern von Iudaea derjenige, von dem die meisten und längsten Berichte über seine Amtszeit bekannt sind. Dies hat seinen Grund mit Sicherheit darin, dass er eine deutlich aggressive Politik gegenüber der Bevölkerung verfolgte. Dabei ließ er sich zahlreiche Vergehen zuschulden kommen, die schließlich auch zu seiner Entlassung führten. Die Nachrichten bei Flavius Josephus werden ergänzt durch die Vorwürfe, die Philo von Alexandria vorbrachte, und die Berichte der Evangelien.
Pilatus ist auch der einzige Amtsinhaber, von dem ein archäologisches Zeugnis von seiner Anwesenheit in Iudaea bekannt ist. [23] Mit der im Jahr 1961 im Theater von Caesarea aufgefundenen, bruchstückhaften Inschrift läßt sich belegen, dass zumindest die ersten Statthalter Iudaeas den Titel Praefectus trugen.
Im Umgang mit seinen Untertanen erwies sich Pontius Pilatus nicht als sehr feinfühlig. Von ihm sind mehrere Vorfälle überliefert, die zu schweren Konflikten mit den Einwohnern Iudaeas führten. Bei der Verlegung seiner Truppen von seinem Amtssitz in Caesarea ins Winterquartier nach Jerusalem [24] ließ er bei Nacht "eine Anzahl verhüllter Bildnisse Tiberius Caesars, die von den Römern 'signa' genannt werden ..." [25] in die Stadt bringen. Am folgenden Morgen kam es zu ersten Protesten der Juden. [26] Die Bürger Jerusalems zogen "in hellen Haufen" [27] nach Caesarea, wo sie ihren Protest dem zurückgebliebenen Pilatus vortrugen. [28] Dieser wies sie mit der Begründung ab, eine Entfernung der Feldzeichen käme einer Beleidigung des Kaisers gleich. [29] Fünf Tage und Nächte blieben die protestierenden Juden am Boden liegen. [30] Erst am sechsten Tag [31] der Proteste entschloß sich der so herausgeforderte Praefectus einzuschreiten. Er begab sich auf die Tribüne der Rennbahn[32]und ließ das Volk sich dort versammeln. Nach dem Bericht im Bellum Iudaicum ließ er die Versammelten sofort von seinen Soldaten umzingeln[33], nach den Antiquitates erst, als sie ihn erneut drängten, die signa aus Jerusalem zu entfernen[34]. Als die Soldaten ihre Waffen zogen, warfen sich die Umzingelten zu Boden und entblößten ihre Nacken, bereit für ihre Sache zu sterben. Auf dieses Verhalten hin entfernte Pilatus die Signa aus Jerusalem.[35]

Zur Finanzierung einer Wasserleitung nach Jerusalem legte Pilatus wiederum sehr undiplomatisch seine Hand auf den Tempelschatz. Erneut entstand ein Aufruhr, als er nach Jerusalem kam.[36] Als das Volk seinen Richterstuhl umdrängte, ließ er Soldaten, die verkleidet unter der protestierenden Menge waren, gegen diese vorgehen. Pilatus hatte zuvor von dem Aufruhr erfahren und seine Soldaten entsprechend instruiert. Durch das harte Vorgehen gelang es dem Statthalter, den Aufruhr niederzuwerfen.

Ein weiteres Mal forderte Pilatus den Widerstand der Juden heraus, als er im ehemaligen Herodespalast von Jerusalem vergoldete Schilde mit dem Namen des Kaisers aufstellen ließ. Vier Söhne des Herodes legten daraufhin Protest bei Tiberius ein, woraufhin der Kaiser seinen Statthalter anwies, die Schilde wieder zu entfernen. Daraufhin wurden die Schilde in den Augustus-Tempel von Caesarea überführt.[37] Der Bau des von Pilatus gestifteten und durch die Inschrift AE 1963, 104 belegten Tiberieums scheint seine Begründung darin zu haben, dass Pilatus versuchte, den Kaiser durch diese Stiftung zu beschwichtigen.

Der Evangelist Lukas spricht von einem Übergriff des Pilatus gegen die "... Galiläer, deren Blut Pilatus mit ihren Opfern vermischt hatte". [38] Dies geschah noch vor dem Prozess gegen Jesus. Es scheint sich um einen Überfall gehandelt zu haben, der während einer Opferzeremonie erfolgte. Dieses Vorkommnis wird allerdings von Flavius Josephus nicht erwähnt.

Im 15. Regierungsjahr des Kaisers Tiberius, also während der Amtszeit des Pilatus, erging nach Lk 3,1 das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias, woraufhin dieser begann, in der Wüste zu predigen.[39] Im gleichen Jahr noch taufte Johannes im Jordan Jesus von Nazareth, womit dessen Wirken begann.
Die Echtheit der Erwähnung des Prozesses Jesu im sogenannten TestimoniumFlavianum kann bezweifelt werden, wenn sie auch sehr alt zu sein scheint.[40]

Ansonsten verbleiben nur die Nachrichten aus den Evangelien und die knappe Erwähnung der Hinrichtung Jesu unter dem Procurator Pontius Pilatus bei Tacitus [41], um die historischen Einzelheiten dieser Geschehnisse zu bestimmen. Die Vorgänge um den "Prozess Jesu" werden an späterer Stelle eingehender diskutiert.

In der Zeit nach der Kreuzigung Jesu trat in Samaria ein Mann auf, der "... sich aus Lügen nichts machte und dem zur Erlangung der Volksgunst jedes Mittel recht war ..."[42] Mit dem Versprechen, dem Volk Gefäße zu zeigen, die einst Mose am heiligen Berg der Samaritaner, dem Garizim, vergraben hätte, lockte er eine große Menschenmenge zu dem Berg. In dem Dorf Tirabatha versammelten sich die Bewaffneten und zogen auf den Garizim. Pilatus stellte sich ihnen mit Truppen entgegen. Bei dem folgenden Kampf, in den auf römischer Seite auch Reiterei eingriff, kam eine Anzahl der Aufrührer ums Leben. Von den Gefangenen ließ Pilatus die Vornehmen und Einflußreichen hinrichten.[43] Wegen dieses Vorgehens verklagten Abgeordnete des Hohen Rates der Samaritaner Pilatus bei Vitellius, dem zu dieser Zeit amtierenden Legaten der Provinz Syria. "Sie hätten sich, ließen sie geltend machen, nicht deshalb in Tirabatha versammelt, um sich gegen die Römer zu empören, sondern nur, um sich vor des Pilatus Ungerechtigkeiten zu schützen."[44] Vitellius enthob auf diese Anklagen hin Pilatus seines Postens. Pontius Pilatus wurde nach Rom geschickt, um sich dort vor dem Kaiser zu verantworten. Er traf in Rom aber erst ein, als Tiberius schon verstorben war.[45]

Durch die ganze Forschungsliteratur zu Pilatus und seiner Amtszeit zieht sich die Diskussion um das Datum seiner Entlassung. Problematisch wird die Frage durch den Bericht des Flavius Josephus, der nicht sehr eindeutig zu sein scheint. Doch läßt sich dieses Problem auf eine klare und eindeutige Art lösen, die allerdings bisher nie diskutiert wurde. Entscheidend sind dabei die Abschnitte XVIII, 89 und XVIII, 90 in den Antiquitates des Flavius Josephus.
Der erste Abschnitt berichtet von der Entlassung des Pilatus, seiner eiligen Reise nach Rom und seiner Ankunft dort nachdem Tiberius gestorben war. Der darauf folgende Abschnitt spricht davon, dass Vitellius, der in AJ XVIII,88 überhaupt zum ersten Mal erwänt wurde, nach Iudaea reiste und nach Jerusalem ging, wo er an einem Passah-Fest teilnahm. Soweit wäre der Bericht nicht problematisch, doch berichtet Josephus in AJ XVIII, 120-124 nochmals von einem Festbesuch des Vitellius, an dessen viertem Tag die Nachricht vom Tode des Tiberius eintraf. Nach Josephus setzte Vitellius bei seinem ersten Festbesuch den Jonathan anstelle des Joseph Kaiphas als Hohepriester ein und bei seinem zweiten ersetzte er Joseph Kaiphas durch dessen Bruder Theophilus. Würden nun beide Berichte von nur einem Besuch in Jerusalem sprechen, hätte Vitellius an einem Fest zwei Hohepriester einsetzen müssen. Zusammengezogen auf nur einen Festbesuch des Vitellius ergeben diese Berichte also keinen Sinn. 

Nur ein einziger Ansatz löst die entstandenen Widersprüche auf: Die Abschnitte AJ XVIII, 89 und 90 müssen getrennt voneinander betrachtet werden. Der Anhaltspunkt dafür ist der doppelt mitgeteilte Tod des Tiberius. Bei einer Betrachtung des Berichts über die Amtszeit des Pilatus ist festzustellen, dass die ganze Erzählung ununterbrochen fortläuft von seiner Einsetzung als Statthalter bis zu seiner Entlassung durch Vitellius und dem Tod des Tiberius. Dann gibt es einen Bruch. Nun berichtet Josephus über die Amtszeit des Vitellius von seinem ersten Besuch in Jerusalem bis zum Tod des Tiberius. Es besteht keinerlei Notwendigkeit, die Entlassung und die Ankunft des Pilatus in Rom nach dem Tod des Kaisers und die Ankunft des Vitellius auf dem Passah-Fest in Jerusalem in einer strengen chronologischen Abfolge zu sehen.[46] Bei einer Angleichung der beiden Berichtsstränge "Amtszeit des Pilatus" und "Amtszeit des Vitellius" von ihrem gemeinsamen Ende, dem Tod des Tiberius, her, klären sich die Widersprüche auf und es ergibt sich eine nachvollziehbare Chronologie der Ereignisse, die hier vorgestellt werden soll. 

In einem nicht bezeichneten Jahr, das noch näher bestimmt werden muß, ging Vitellius nach Iudaea, um in Jerusalem am Passah-Fest teilzunehmen, was für den Statthalter von Iudaea üblich war, was aber auch die Legaten Syriens hin und wieder taten. Während seiner Anwesenheit in Jerusalem, die nicht auf die Tage des Festes beschränkt gewesen sein muß, erließ er den Einwohnern Jerusalems alle Steuern auf den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte. [47] Auch löste er den seit dem Jahr 19 amtierenden Hohepriester Joseph Kaiphas ab und ersetzte ihn durch Jonathan. Er war seit Valerius Gratus der erste Römer, der wieder einen Hohepriester einsetzte. Auch überließ er den Juden wieder die Aufsicht über die Hohepriestergewänder, die seit der Zeit des Herodes in der Festung Antonia verwahrt wurden. Nach dem Besuch in Jerusalem mußte sich Vitellius im Auftrag des Tiberius um die Beziehungen zu den Persern kümmern. Im Zuge dieser diplomatischen Bemühungen wurde mit Artabanus Freundschaft geschlossen und es wurden Geiseln getauscht. [48] Darauf folgten Auseinandersetzungen zwischen Herodes dem Tetrarchen und Aretas, dem König der Nabatäer. Nachdem das Heer des Herodes aufgerieben worden war, schritt Vitellius gegen die Nabatäer ein. Der Marsch gegen Petra hätte die Truppen durch das Gebiet Iudaeas geführt, doch bat eine Abordnung der Juden darum, dies zu vermeiden, da dann die Feldzeichen durch das Land getragen werden würden. So ließ Vitellius das Heer durch die Jezreel-Ebene marschieren. [49] Zu dieser Zeit zog Vitellius zusammen mit dem Tetrarchen Herodes nach Jerusalem,"... weil gerade ein jüdisches Fest bevorstand ...". [50] Während dieses Festes setzte er den Hohepriester Jonathas ab und ersetzte ihn durch seinen Bruder Theophilus. Am vierten Tag des Festes erreichte ihn ein Brief, der ihm mitteilte, dass Tiberius gestorben war. Daraufhin brach Vitellius den Feldzug ab. 

Dieser Ablauf der Ereignisse in der Amtszeit des Vitellius ist logisch nachvollziehbar und enthält keinerlei Brüche. Da feststeht, dass der zweite Besuch in Jerusalem im Jahr 37 stattfand, denn Tiberius starb am 16. März 37 [51], bleibt zu fragen, wann Vitellius das erste Mal in Jerusalem war. Jonathas sollte später von dem syrischen Legaten Petronius die Hohepriesterwürde wieder erhalten. Doch er lehnte das Ansinnen des Legaten ab mit dem Hinweis, das heilige Gewand einmal getragen zu haben.[52] Demnach war er nur sehr kurze Zeit im Amt, was vor dem Hintergrund des Berichts von den Besuchen des Vitellius in Jerusalem bedeutet, dass diese Besuche ein Jahr auseinanderlagen. Vitellius war demnach auch zum Passah des Jahres 36 in Jerusalem.
Pilatus erreichte Rom, als Tiberius gerade gestorben war, seine Absetzung mußte demnach Anfang des Jahres 37 erfolgt sein. Genau läßt sich dieser Zeitpunkt nicht bestimmen, da die tatsächliche Reisezeit nicht zu ermitteln ist. Die Ausschreitungen des Pilatus gegen die Samaritaner werden gegen Ende des Jahres 36 stattgefunden haben. Vitellius mag sich noch während seiner Vorbereitungen für den Feldzug gegen Aretas um die Angelegenheit gekümmert haben. Mit dem dargestellten Ablauf der Ereignisse sind alle Fragen ausgeräumt, die in zahlreichen früheren Untersuchungen immer wieder beantwortet werden sollten. Zweifellos war das größte Problem das strenge Festhalten an der zeitlichen Abfolge der Ablösung des Pilatus und des ersten Festbesuchs des Vitellius. Dafür gibt es aber wie gezeigt keinen Anhaltspunkt im Text des Flavius Josephus.

Für die langen Amtszeiten des Gratus und des Pilatus gibt Flavius Josephus indirekt eine Erklärung, da Tiberius "... was in no hurry to receive embasies, nor did he replace governors or procurators sent out by him unless they died at their posts."[53]

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Iudaea während der Herrschaft des Caligula (37-41)

Der von Vitellius nach der Abberufung des Pilatus als "Verwalter" [54] Iudaeas eingesetzte Marcellus hatte dieses Amt nur sehr kurz inne. Flavius Josephus bezeichnet ihn als "Freund" des Vitellius, woraus zu schließen ist, dass er wahrscheinlich zum Stab des Legaten gehört hatte und wohl eine gewisse Erfahrung in Verwaltungsaufgaben einer Provinz hatte. Da er nicht als Praefectus oder Procurator bezeichnet wird, ist anzunehmen, dass er von Vitellius, der nicht das Recht hatte, einen Statthalter zu ernennen, nur für eine Übergangszeit auf diesen Posten gesetzt wurde, bis entweder ein vom Kaiser neu bestimmter Mann das Amt übernehmen, oder Pilatus zurückkehren würde.

Kaiser Caligula ernannte wenige Tage nach seiner Thronbesteigung am 18. März 37 Iulius Agrippa zum König der Tetrarchie des Philippus und ersetzte Marcellus durch einen gewissen Marullus. Pontius Pilatus muß in den Tagen nach dem Tode des Tiberius in Rom eingetroffen sein, denn nur so konnte der neue Kaiser erfahren haben, dass es in Iudaea zu einer Änderung an der Spitze der Verwaltung gekommen war. [55]Caligula entschied sich gegen Pilatus und sandte den Marullus nach Iudaea.

Das weitere Schicksal des Pilatus gilt als ungewiß. Eusebius von Caesarea überliefert den einzigen Bericht über seinen Tod: "Wissenswert ist es, dass auch Pilatus, der zur Zeit des Erlösers lebte, nach dem Bericht der Geschichte unter Gaius, dessen Zeiten wir behandeln, von solchem Unglück heimgesucht wurde, dass er in der Not Hand an sich legte und zu seinem eigenen Richter wurde." [56] Daß dieser Selbstmord unmittelbar mit den Folgen seiner Amtsführung in Iudaea zusammenhing, sagt Eusebius nicht.

Marullus wird wiederum nicht als Procurator bezeichnet, sondern lediglich als "Kommandant der Kavallerie". [57] Auch dies wieder ein Hinweis, dass er nicht die vollen procuratorischen Rechte wahrnehmen konnte, sondern nur für eine Übergangszeit amtieren sollte. Von besonderen Vorkommnissen aus dieser Zeit, die direkt mit diesen beiden Statthaltern in Verbindung gebracht werden, ist nichts bekannt.
Daß die Bedeutung des Marullus nicht sehr groß gewesen sein kann, zeigt sich an den Vorgängen um die von Caligula geplante Aufstellung einer Statue im Tempel von Jerusalem. Dieses Vorhaben sollte der Legat von Syrien, P. Petronius, der Vitellius im Jahr 39 abgelöst hatte, [58] mit massierter Truppenmacht ausführen.

Da Caligula Iulius Agrippa zum König ernannt hatte, reiste Herodes, der Tetrarch von Galiläa und Peräa, nach Bajae, um dort vor dem Kaiser auch für sich die Königswürde in seinem Herrschaftsgebiet zu verlangen. Iulius Agrippa hatte dem Kaiser allerdings einen Brief geschrieben, in dem er auf den großen Waffenbesitz des Herodes hinwies. Er konnte dies nicht leugnen und wurde von Caligula nach Lugdunum verbannt. Die Tetrarchie vereinigte der Kaiser nun mit dem Gebiet des Iulius Agrippa. [59]

Petronius, der neu eingesetzte Legat Syriens, erhielt von Caligula den Auftrag, mit seinem Heer in Iudaea einzudringen und, notfalls mit Gewalt, ein Standbild des Kaisers im Tempel von Jerusalem aufzustellen. Petronius nahm das Unternehmen gleich nach seinem Amtsantritt in Angriff. Mit allen verfügbaren Hilfstruppen und zwei Legionen bezog er Winterquartier in Ptolemais. [60] Dort versammelten sich daraufhin zahlreiche Juden und versuchten, den Legaten von seinem Vorhaben abzubringen. Unter Zurücklassung der Statue des Caligula [61] zog Petronius nach Tiberias, wo wiederum Delegationen der Juden ihn von seinem Vorhaben abbringen wollten. Nachdem auch Aristobulos interveniert hatte, erklärte der Legat, er wolle bei Caligula für die Juden eintreten, auch wenn dies ihn selbst in Gefahr bringen würde. Mit einem Brief an den Kaiser versuchte er diesen umzustimmen. [62] Zuvor hatte er Tiberias verlassen und das Heer von Ptolemais nach Antiochia, der Hauptstadt Syriens, zurückmarschieren lassen. [63] Inzwischen war es Iulius Agrippa in Rom gelungen, Caligula umzustimmen und dieser sandte einen Brief an Petronius, in dem er diesen aufforderte, die Statue entweder nicht aufzustellen oder sie wieder zu entfernen. [64] Der Brief des Legaten wegen des Aufruhrs in Iudaea traf erst in Rom ein, als der Brief des Caligula längst unterwegs war. Als Caligula diesen Brief in Händen hielt, verlangte er von Petronius den Selbstmord. [65] In den Antiquitates und im Bellum Iudaicum schildert Josephus diese Ereignisse unterschiedlich. Im Bellum Iudaicum ist keine Rede von einer Intervention des Agrippa und Caligula reagiert mit dem Todesurteil auf den Brief des Petronius, ohne vorher seine Befehle zurückgenommen zu haben. Der Selbstmordbefehl erreichte Petronius allerdings erst, als dieser schon vom Tod des Kaisers erfahren hatte. [67]

Als amtierender Statthalter war Marullus nach dem Berichte des Josephus nicht direkt in die Vorgänge um die Aufstellung der Kaiserstatue verwickelt. Mit seinen anscheinend nicht ausreichenden Kompetenzen im eigenen Amtsbereich hatte er wohl auch keine Möglichkeit, in das Geschehen aktiv einzugreifen.

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Iudaea unter Kaiser Claudius (41-54)

Nach seiner Thronbesteigung gab der neue Kaiser Claudius dem Iulius Agrippa zusätzlich zu seinem bisherigen Herrschaftsbereich auch noch Iudaea und Samaria, den bisherigen Amtsbereich des Statthalters von Iudaea, Abila und Gebiete im Libanon. [68] Die Schenkung wurde sogar auf Bronzetafeln auf dem Kapitol bekanntgemacht. [69] Iudaea war nun wieder ein weitgehend eigenständiges Königreich. Agrippa ersetzte Theophilus durch Simon Kantheras als Hohepriester. [70] Als in Dora eine Statue des Claudius in einer Synagoge aufgestellt wurde, wandte sich Agrippa I. an P. Petronius, den weiterhin amtierenden Legaten von Syrien. Dieser ermahnte die Aufsteller der Statue in einem Brief, nicht den Befehlen des Kaisers zuwiderzuhandeln, der den Juden die freie Religionsausübung zugestanden hatte. Der Centurio Vitellius Proculus wurde damit beauftragt, die Verantwortlichen dem Petronius vorzuführen. [71] Agrippa setzte auch Simon Kantheras wieder ab und ernannte Jonathas, den Sohn des Ananus, zum Hohepriester. [72] Bald schon sollte sich zeigen, dass Iulius Agrippa I. keineswegs nach eigenem Gutdünken in seinem Reich schalten und walten konnte. Als er beabsichtigte, die Stadtmauern Jerusalems wieder zu erneuern, schritt der neue Legat von Syrien, C. Vibius Marsus [73] dagegen ein. In einem Brief berichtete der Legat von dem Vorhaben des jüdischen Königs nach Rom, woraufhin Claudius den Mauerbau untersagte. [74]

Als Iulius Agrippa I. starb, sollte ihm sein Sohn auf dem Thron folgen, was Claudius zunächst unterstützen wollte. Josephus berichtet, Claudius habe auf den Rat seiner Freigelassenen hin Iudaea wieder zur Provinz gemacht und Cuspius Fadus als Procurator eingesetzt. [75]
Dessen erste Aufgabe war es, die Bewohner von Caesarea und Sebaste für ihr Verhalten nach dem Tod des Iulius Agrippa zu bestrafen. Die Schuldigen sollten, begleitet von fünf Kohorten, zum Kriegsdienst nach Pontus geführt werden. Syrische Truppen sollten die abmarschierenden Soldaten ersetzen. Es gelang aber einer Gesandtschaft der Betroffenen, bei Claudius zu erreichen, dass sie in ihrer Heimat bleiben durften.
Von den Ereignissen nach dem Tode von Iulius Agrippa I. gibt Flavius Josephus allerdings noch eine andere Darstellung. Demnach wurde zu dieser Zeit der Legat von Syrien, C. Vibius Marsus, durch Cassius Longinus ersetzt. Iulius Agrippa I. hatte des öfteren an Claudius appelliert, Marsus abzulösen. Als Fadus, der neue Statthalter, in Iudaea eintraf, mußte er feststellen, dass es zwischen den Einwohnern von Philadelphia und Peräa zu Kampfhandlungen wegen des Dorfes Zia gekommen war. Fadus ließ daraufhin drei der Anführer der Peräer festnehmen und ins Gefängnis werfen. Einer wurde hingerichtet, die anderen verbannt. Auch ließ er Tholomaeus, einen Briganten, hinrichten. "... und bald war durch seine [des Fadus; J.D.] Energie ganz Iudaea von den Räuberhorden befreit", lobt Josephus.

Von Kaiser Claudius erhielt Cuspius Fadus die Anweisung, die priesterlichen Gewänder wieder in der Festung Antonia aufzubewahren. Zunächst bestellte der Procurator die "Priester und Vornehmen Jerusalems" zu sich, um ihnen das Ansinnen des Kaisers mitzuteilen. Da Unruhen im Zusammenhang mit der erneuten Einvernahme der Priestergewänder durch die Römer befürchtet wurden, kam der syrische Legat Longinus an der Spitze eine "großen Truppenmacht" nach Jerusalem. Allerdings lenkten Procurator und Legat ein und erlaubten den Juden, eine Gesandtschaft an Claudius zu senden. Agrippa d.J., der Sohn des Iulius Agrippa, intervenierte im Sinne seiner Landsleute, woraufhin Claudius es bei der Anordnung des Vitellius beließ, wonach die Priestergewänder im Tempel aufbewahrt wurden. Dies bestätigte Claudius in einem Brief, der in das Konsulat des Rufus und des Pompeius Silvanus datiert ist. Auf seine Bitten hin erhielt Herodes, der Bruder des Iulius Agrippa, von Claudius das Verfügungsrecht über den Tempel, den Tempelschatz und das Recht, die Hohepriester zu ernennen. Der derzeit amtierende Hohepriester Simon Kantheras wurde von ihm sogleich durch Joseph ersetzt.

Während der Amtszeit des Cuspius Fadus trat auch der Prophet Theudas auf, dem eine große Menge Menschen zum Jordan folgte. Gegen diese Menge ging Fadus mit einer Reiterschwadronvor, wobei viele Anhänger des Theudas getötet wurden. Theudas selbst wurde gefangengenommen und enthauptet.
Abgelöst wurde Fadus durch Tiberius Iulius Alexander. Dieser stammte aus Alexandria und war der Sohn des jüdischen Vorstehers Alexander und der Neffe des Philo von Alexandria. Während seiner Amtszeit kam es zu einer Hungersnot, die Königin Helena von Adiabene durch Hilfslieferungen zu lindern trachtete. Jakobus und Simon, die Söhne des Galiläers Judas, der sich zur Zeit des Quirinius erhoben hatte, wurden von Alexander ans Kreuz geschlagen.

Die Amtszeit des Tiberius Alexander war nur kurz, und er wurde durch Cumanus ersetzt. Während dessen Amtszeit kam es zu einem schwerwiegenden Zwischenfall anläßlich eines Passahfestes. Einer der Soldaten, die in einer der Säulenhallen des Tempels Wache standen , entblößte seine Scham und gab "einen seiner Stellung entsprechenden Laut von sich". Dem Cumanus war es nicht möglich, der Empörung der Menge Einhalt zu gebieten, die die Soldaten mit Steinen bewarf. Als er daraufhin die Truppen in die Antonia einrücken ließ , kam es zu einer Massenpanik. Dabei wurden 20.000 oder 30.000 Menschen getötet.
Die Beraubung eines gewissen Stephanus, eines Dieners des Kaisers, nahm Cumanus schließlich zum Anlaß für eine Plünderung von mehreren Dörfern. Dabei kam es zur Verbrennung einer Tora-Rolle durch einen römischen Soldaten. Die Juden klagten diesen in Caesarea wegen dieses Vorfalls vor Cumanus an. Bevor ein Aufruhr ausbrechen konnte, ließ er den Soldaten hinrichten.
Als galiläische Pilger auf ihrem Weg nach Jerusalem durch Samaria zogen, wurden sie bei dem Dorf Ginaea von Samaritanern überfallen und viele von ihnen getötet.Abgesandte der Galiläer gingen zu Cumanus nach Caesarea, um Klage zu erheben.Währenddessen sollen sich die Galiläer aber darauf vorbereitet haben, gegen die Samaritaner ins Feld zu ziehen.Im Gegensatz zu seinen Ausführungen in den Antiquitates behauptet Flavius Josephus im Bellum Iudaicum, es seien Samaritaner zu Cumanus gezogen und hätten gebeten, er solle nach Galiläa ziehen, um die Schuldigen zu bestrafen.Die Samaritaner bestachen Cumanus, der daraufhin den Galiläern keine Beachtung schenkte.Dies nahmen wiederum die Galiläer zum Anlaß, den Aufstand auszurufen und überfielen trotz der versuchten Beschwichtigung der Beamten mehrere samaritanische Dörfer. Dies rief Cumanus auf den Plan, der mit seiner Truppe gegen die Juden zog. Im Kampf fiel eine Anzahl von diesen, es wurden aber auch Gefangene gemacht. Erst den Vornehmen von Jerusalem gelang es, auf die Juden einzuwirken, vom Kampf abzulassen.Nach Beendigung des Aufstands erschienen Abgesandte der Samaritaner vor dem syrischen Legten Ummidius Quadratus, um die Juden wegen der Plünderung der samaritanischen Dörfer zu verklagen. Quadratus hörte sich die Klagen der Judäer an, die den Samaritanern die Schuld am Ausbruch der Feindseligkeiten gaben. Einige Zeit danach begab sich der Legat persönlich nach Samaria, wo er zu dem Schluß kam, die Samaritaner trügen die Schuld. Nun wurden die von Cumanus gefangengenommenen Juden gekreuzigt. Der Hohepriester Ananias, den Hauptmann Ananus, die Vornehmen der Samaritaner und Cumanus mußten nach Rom reisen, um sich dort vor dem Kaiser zu verantworten.In Rom entschied Claudius auf Einwirken Agrippas d.J. zugunsten der Judäer. Drei der samaritanischen Gesandten wurden hingerichtet, Cumanus verbannt und der Tribun Celer nach Jerusalem zurückgeschickt, wo er hingerichtet wurde.

Nach dem Bericht des Tacitus stellen sich die Ereignisse vor der Entlassung des Cumanus anders dar. Demnach hatten Cumanus und sein Nachfolger Antonius Felix Palästina eine Zeitlang gemeinsam verwaltet. Felix war nach den Angaben des Flavius Josephus Procurator von Iudaea, Galiläa, Samaria und Peräa.Galiläa stand nach Tacitus allerdings unter der Verwaltung des Cumanus.
Tacitus gibt den beiden Statthalter Schuld an den Unruhen in Iudaea. Dabei hätten die beiden die von ihnen beherrschten Galiläer und Samaritaner gegeneinander ausgespielt. An den jeweiligen Plünderungen bereicherten sie sich. Diese Vorgehensweise habe allerdings dazu geführt, dass die Statthalter schließlich gezwungen waren, mit Waffengewalt gegen die Aufständischen vorzugehen. Die Kämpfe müssen sich ausgeweitet haben, bis endlich Ummidius Quadratus, der Statthalter Syriens, einschritt.
Die beiden Statthalter sollten anschließend auf die ausdrückliche Weisung des Claudius hin von Quadratus für die Mißstände zur Rechenschaft gezogen werden. Quadratus soll aber den Felix dem Cumanus vorgezogen haben, woraufhin lediglich letzterer wegen der Vorkommnisse verurteilt wurde. Der so unrühmlich seines Amtes enthobene Cumanus wurde von Claudius durch Antonius Felix, einen Freigelassenen der Mutter des Kaisers Claudius, ersetzt. Er war ein Bruder des zu höchsten Ehren aufgestiegenen Freigelassenen Pallas. Felix war zunächst Kommandant einer Kohorte und Ale gewesen.

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Dem Ende entgegen: Iudaea zur Zeit des Nero (54-64)

Als Kaiser Claudius starb, blieb Antonius Felix im Amt. Gegen das "Räuberunwesen" griff er hart durch. Täglich soll er festgenommene Aufrührer haben hinrichten lassen.Dem Treiben des Eleazar machte er ebenfalls ein Ende. Dies gelang ihm, indem er diesen unter Zusicherung von Straffreiheit zu sich lockte und ihn dann nach Rom sandte. Den Mord an dem Hohepriester Jonathas schreibt Josephus in den Antiquitates der Veranlassung des Felix zu, weil der Hohepriester ihn ermahnt habe, sein Amt besser zu führen.Dagegen wird der Mord im Bellum Iudaicum allein den Sikariern zugeschrieben.In Jerusalem begann nun eine Zeit des Aufruhrs. Felix ließ hart durchgreifen, besonders gegen selbsternannte Propheten. Deren Anhänger wurden gnadenlos hingerichtet.Eine große Menge von Anhängern sammelte ein aus ägypten nach Jerusalem gekommener Prophet. Er hatte anscheinend das Ziel, einen Aufstand gegen die Römer auszulösen. So plante er, vom Ölberg aus in Jerusalem einzudringen und die römische Besatzung zu überwältigen. Felix machte einen Ausfall aus der Stadt. In dem folgenden Treffen wurden 4.000 Anhänger des Ägypters getötet und 200 gefangengenommen.Der Prophet selbst suchte sein Heil in der Flucht.

Das Neue Testament schweigt über die Nachfolger des Pilatus, bis in der Apostelgeschichte Antonius Felix erwähnt wird. Als der Apostel Paulus auf seiner dritten Missionsreise nach Jerusalem kam, war er schon vorher vor der Gefahr gewarnt worden, dort seines Lebens und seiner Freiheit nicht sicher zu sein. Der Apostel setzte seine Reise trotz der Warnungen und des Widerspruchs seiner Anhänger fort, um seine Mission weiterzuführen. In Jerusalem traf er im Hause des Jakobus mit den Ältesten der dortigen Gemeinde zusammen. Diese berichteten ihm von den Vorwürfen der Juden gegen ihn, wonach er seine Anhänger dazu anhalte, die Gesetze des Mose nicht mehr zu achten, die Beschneidung zu unterlassen und "nicht nach jüdischer Weise" zu leben. Um seine Lebensweise getreu der Tora zu beweisen, sollte Paulus auf den Rat der Ältesten hin sich vier Männern anschließen, die sich Gott geweiht hatten und sich nun einer Reinigung im Tempel unterziehen mußten. Er sollte auch die Kosten für diese übernehmen. Paulus nahm die siebentägigen Reinigungszeremonien auf sich. Als er am siebten Tag im Tempel war, behaupteten einige aus Asien stammende Juden, er habe dem Epheser Trophimus Zugang zum Tempel verschafft, und hielten ihn fest.
Der Vorwurf gegen Paulus war äußerst schwerwiegend. An den Zugängen zum Tempel befanden sich steinerne Inschriftentafeln, die Nichtjuden davor warnten, das Tempelareal zu betreten: "Kein Fremdstämmiger darf hineingehen in den Bereich der um das Heiligtum befindlichen Schranke und Einfriedung! Wer dabei ertappt werden sollte, wird für sich selbst schuld sein an dem daraus folgenden Tod!"
Der Vorwurf der asiatischen Juden löste wohl sofort einen großen Aufruhr aus, bei dem die Beteiligten innerhalb kürzester Zeit vergaßen, was ihn ausgelöst hatte. Die aufgebrachte Menge schleppte Paulus aus dem Tempel heraus. Die zusammenströmende Volksmenge und der Aufruhr im Bereich des Tempels ließ den der in Jerusalem liegenden Kohorte vorstehenden Tribun Claudius Lysiasaufmerksam werden. Dieser stellte eine Truppe zusammen und drang zum Tempel vor. Dort entriß er der Menge den Paulus, ließ ihn binden und, als er nicht in Erfahrung bringen konnte, was dem Mann vorgeworfen wurde, unter Schwierigkeiten in die Festung Antonia schaffen.Noch bevor Paulus in die Burg gebracht werden konnte, bat dieser um ein Gespräch mit dem Tribun. Dieser hatte Paulus zunächst für den ägyptischen Propheten gehalten, dessen Anhänger nur mit Waffengewalt davon hatten abgehalten werden konnten, in Jerusalem einzudringen und der dann geflohen war. Paulus stellte sich vor und bat darum, zu den Einwohnern Jerusalems sprechen zu können. Die Rede des Paulus, in der er von seinem Berufungserlebnis berichtete, wurde von der Menge unterbrochen, die wieder seinen Tod forderte. Nun wollte der Tribun seinen Gefangenen geißeln lassen, um von ihm zu erfahren, wessen man ihn beschuldige. Doch Paulus berief sich auf sein angeborenes römisches Bürgerrecht, das ihn vor dieser Behandlung bewahre. Der Tribun rief darauf am nächsten Tag den Sanhedrin zusammen, damit die Priester ihre Beschuldigungen gegen Paulus wiederholen konnten. Die Versammlung endete aber im Tumult, da die Pharisäer unter den Versammelten und die Sadduzäer sich zerstritten. Nachdem auch noch ein Mordkomplott gegen Paulus aufgedeckt wurde, ließ der Tribun den Gefangenen mit 200 Soldaten Geleitschutz nach Caesarea, zum Sitz des Procurators bringen.Die Apostelgeschichte überliefert einen Brief, den Claudius Lysias an Felix gesandt haben soll. Darin legt der Tribun seine Vorgehensweise dar, allerdings mit einer gewissen Akzentverschiebung. Dem Text des Briefes zufolge ließ er Paulus der Menge entreißen, nachdem er erfahren hatte, dass dieser ein römischer Bürger sei.Dies ganz im Gegensatz zu der vorherigen Schilderung der Vorgänge, wo er dies erst erfuhr, als Paulus schon in der Festung war und gegeißelt werden sollte. Im weiteren weist der Tribun darauf hin, dass vom Sanhedrin keine Anklage gegen Paulus vorgebracht wurde, die mit der Todesstrafe zu ahnden sei.
Die erste Etappe der Überführung des Paulus nach Caesarea führte bis Antipatris, von wo die begleitenden Fußtruppen wieder nach Jerusalem zurückkehrten. Paulus wurde von den Reitern nach Caesarea begleitet. Felix ließ Paulus im Palast des Herodes in Caesarea festsetzen und wartete auf die Ankläger. Fünf Tage später erschienen vor ihm der Hohepriester Ananias und der Anwalt Tertullus. Beide Parteien erhielten Gelegenheit für die Darstellung ihrer Sicht der Dinge. Tertullus wiederholte die Anklage der Tempelschändung, während Paulus entgegnete, diese Behauptung könne niemand beweisen. Felix traf keine Entscheidung, er wollte zunächst auch noch die Aussage des Claudius Lysias hören. Dazu scheint es aber nicht mehr gekommen zu sein, denn die Apostelgeschichte berichtet nichts davon. Zwei Jahre blieb Paulus nun in leichter Haftwährend der Felix und seine jüdische Fraudes öfteren mit ihm über den Glauben sprachen. Die Apostelgeschichte unterstellt dem Felix allerdings auch niedere Gründe für die Besuche bei dem gefangenen Apostel, denn er habe darauf gehofft, von Paulus Geld zu erhalten.
In Caesarea kam es aber auch wieder zu Ausschreitungen zwischen den in der Stadt wohnenden Juden und Syrern. Erst als die Auseinandersetzungen eskalierten, entschloß sich Felix, gegen sie einzuschreiten. Zunächst versuchte er, die Kämpfe in Ruhe beizulegen. als aber die Juden sich an seinen Aufruf nicht hielten, setzte er seine Truppen gegen sie ein. Auf eine Bitte der gemäßigten Kreise in Caesarea ließ er aber dieses Vorgehen stoppenund Vertreter beider Seiten wurden zu Nero nach Rom geschickt.

Der Procurator Felix wurde, ob im Gefolge der Ereignisse ist nicht zu sagen, von Nero durch Porcius Festus ersetzt. Die Vorsteher der Juden von Caesarea verklagten Felix vor Nero, doch konnte sein Bruder Pallas eine Verurteilung verhindern. Schon als Festus drei Tage nach seiner Ankunft in Iudaea nach Jerusalem kam, sollen nach der Apostelgeschichte Priester und anderen hochrangige Persönlichkeiten wegen des noch immer in Caesarea inhaftierten Paulus bei ihm nachgefragt haben. Sie drängten auch den neuen Procurator, den Apostel zu verurteilen und brachten erneut ihre Anklage vor, über die schon Felix nicht hatte entscheiden wollen. Auch Festus konnte keinen Punkt finden, an dem der Angeklagte schuldig war. Als er Paulus nach Jerusalem bringen lassen wollte, um diesem dort Gelegenheit zu geben, sich vor seinen Anklägern nach den jüdischen Gesetzen zu verantworten, bestand Paulus darauf, dem Kaiser vorgeführt zu werden. Als Agrippa II. zu einem Besuch bei Festus eintraf, stellte er auch diesem Paulus vor. Am Ende der Begegnung konnte auch Agrippa II. keine Schuld finden. Da sich Paulus aber auf den Kaiser berufen hatte, war es nicht mehr möglich, ihn freizulassen.Durch diese Berufung des Paulus auf seinen höchsten Richter war allerdings Festus auch von dem Problem befreit, in der schwierigen Frage entscheiden zu müssen.
Eine weitere Aufgabe, der sich Festus gleich zu Beginn seiner Amtszeit widmete, war die Bekämpfung der Sikarier, die weiterhin das Land unsicher machten.Auch ein neu aufgetretener Prophet wurde mit Waffengewalt niedergeworfen.
König Agrippa II. ließ in Jerusalem einen Aussichtspunkt errichten, von dem aus es ihm möglich war, die Vorgänge im Tempel zu beobachten. Als Gegenmaßnahme wurde im Tempelbereich eine Mauer errichtet, um diese Einsichtnahme unmöglich zu machen. Festus befahl, diese Mauer niederzureißen. Auf Bitten der Juden hin reiste eine Gesandtschaft zu Nero, die erreichte, dass die Mauer stehenbleiben durfte.Festus starb als einziger Statthalter Iudaeas im Amt.

Nach dem Tod des Festus wurde Lucceius Albinus zum neuen Statthalter bestimmt.Vorher ist er wahrscheinlich praefectus castrorum in Alexandria gewesen.Noch bevor er sein Amt antreten konnte, nutzte der von Agrippa II. anstelle des Joseph eingesetzte Hohepriester Ananus die Gelegenheit, Jakobus, den Bruder des Jesus von Nazareth, vor Gericht zu stellen und zur Steinigung zu verurteilen.Ananus hätte ohne die Genehmigung des Procurators den Sanhedrin nicht zur Gerichtssitzung zusammenrufen dürfen. Der Hohepriester wurde wiederum durch Josua ersetzt.
Die Verwaltung des Lucceius Albinus wird von Josephus stark kritisiert. Er wirft ihm vor, er habe sich an den öffentlichen Kassen, aber auch aus den Privatvermögen der reichen Juden bereichert.Gegen die Sikarier schritt Albinus streng ein, und es gelang ihm, das Land zur Ruhe zu bringen. Als aber der Schreiber des Tempelvorstehers von den Sikariern entführt wurde, gestand Albinus dem Ananus, dem ehemaligen Hohepriester und Vater des Schreibers, die Freilassung von zehn gefangenen Sikariern zu. Nach dieser gelungenen Freipressung gingen die Sikarier erst recht zu diesem Vorgehen über, was zu weiteren Unruhen führte. Albinus zeigte nach Josephus ansonsten keine Bemühungen, die auftretenden Unruhen wirklich zu verhindern.
In der Amtszeit des Albinus machte auch ein gewisser Jesus, der Sohn des Ananos, von sich reden, der in Jerusalem als Prophet auftrat. Vier Jahre vor dem Ausbruch des Aufstandes kam er zum Laubhüttenfest in die Stadt und begann mit Weherufen über Jerusalem und den Tempel. Wegen dieses Verhaltens wurde er zunächst von "einigen vornehmen Bürgern" ergriffen und verprügelt. Als er aber dennoch nicht von seinem Klagegeschrei abließ, "glaubten daher die Vorsteher, dass er unter einem übernatürlichen Antrieb handle." Die Folge war, dass er vor den Prokurator Albinus gebracht wurde, "wo er, obwohl bis auf die Knochen durch Geißelhiebe zerfleischt, weder um Gnade bat noch Tränen vergoß, ..." Auf die Frage des Albinus nach seiner Herkunft und dem Grund seines Rufens gab er keine Antwort. Da er vom Wahnsinn des Mannes überzeugt war, ließ Albinus ihn gehen, woraufhin der Mann sein Wehgeschrei fortsetzte, bis er während der Belagerung Jerusalems durch das Geschoss einer Wurfmaschine getötet wurde. [BJ VI, 5, 3]
Schließlich wurde Albinus abberufen, doch er ließ noch zahlreich Hinrichtungen vornehmen, entließ aber auch zahlreiche Gefangene gegen Geldzahlungen, als er von seiner Absetzung erfuhr.

Als Nachfolger des Lucceius Albinus trat Gessius Florus das Amt des Statthalters von Iudaea an. Er sollte der letzte Amtsinhaber vor dem Ausbruch des großen Aufstandes der Juden gegen die römische Herrschaft sein. Er stammte aus Klazomenai und war mit Kleopatra, einer Freundin von Neros Gattin Poppaea Sabina, verheiratet. Poppaea soll ihm auch den Posten verschafft haben.Unter der ungerechten Amtsführung des Florus brach schon im zweiten Jahr seiner Prokuratur der Aufstand aus, im zwölften Jahr der Regierung des Nero.
Seit 63 war Cestius Gallus Legat der Provinz Syria. Als er zum Passah-Fest nach Jerusalem kam, wurde Gessius Florus von den Juden wegen seiner Vergehen angeklagt. Es gelang Florus allerdings, den Legaten von diesen Anklagen abzulenken. Auf seiner Rückreise nach Antiochia wurde Cestius bis Caesarea von Florus begleitet.Inzwischen hatte Nero den Griechen in Caesarea den Vorzug vor den jüdischen Einwohnern gegeben, was er ihnen auch brieflich bestätigte. Dort entzündete sich nun der Konflikt zwischen den beiden Gruppen an einer Synagoge, die auf einem Grundstück stand, das einem Griechen gehörte. Dieser ließ auf dem Platz davor noch andere Gebäude errichten, um den Juden den Zugang zu ihrem Gotteshaus zu erschweren. Florus wurde von den Juden mit acht Talenten bestochen, damit er den die Errichtung der Gebäude verhindere. Er nahm zwar das Geld, verließ aber danach die Stadt und überließ die Streitenden sich selbst.Am Tag nach der Abreise des Procurators, einem Sabbat, provozierte der Grieche die Juden erneut, indem er vor der Synagoge Tauben opferte. Gegen das ausbrechende Handgemenge schritt der römische Reiterkommandant Iucundus ein, der das Opfer beendete. Die Juden flohen mit ihren Torarollen auch Narbata. Einige vornehme Juden zogen nach Sebaste, wohin sich Florus begeben hatte, um ihn um Hilfe zu bitten. Er ließ die Abordnung allerdings ins Gefängnis werfen.Nun ließ Florus dem Tempelschatz 17 Talente entnehmen. Als daraufhin Unruhen in Jerusalem ausbrachen, rückte er mit Reiterei und Fußsoldaten vor die Stadt.Die ihm entgegenziehenden Juden ließ er von der Reiterei des Centurio Capito zerstreuen. Im Königspalast hielt der Procurator Gericht und forderte dabei, dass ihm die Aufrührer ausgeliefert würden. Die Juden appellierten an Florus, Gnade walten zu lassen. Auf dieses Ansinnen hin rief der Procurator seine Truppen in die Stadt, um den oberen Markt zu plündern. Die Soldaten beschränkten sich nicht darauf, sondern gingen in der ganzen Stadt gegen die Bewohner vor. Florus ließ sogar Juden, die römische Ritter waren, ans Kreuz schlagen.Um dem Massaker in Jerusalem Einhalt zu gebieten, versuchte Berenike, die Schwester Agrippas d.J., zu intervenieren, doch mußte selbst sie vor den römischen Soldaten in den Königspalast fliehen und erreichte nichts. Die nun ausbrechenden Kämpfe in der Stadt waren der Beginn des Aufstands in der gesamten Provinz.

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Anmerkungen

[1] Smallwood, S. 144.
[2] König Herodes wird nur in AJ XVIII, 130 mit dem Zusatz 'der Große' genannt. H. Ewald, Geschichte des Volkes Israel, IV3, 1867, S. 546, "plausibly conjectures that ó mégaß indicates that he is merely 'the elder' (like latin maior) in comparison with his sons of that name." (AJ, Louis A. Feldman (Übers.), Vol. IX, Anm. c, p. 89) Die Bezeichnung ó mégaß für Herodes erscheint an dieser Stelle auch sinnvoll, da vorher vom Tetrarchen Herodes die Rede war und Josephus nun auf die Familiengeschichte der Herodier zurückgreift, um die Ursachen des Konflikts mit Aretas zu erklären.
[3] AJ XVIII,2.
[4] BJ II, 117.
[5] AJ XVIII,2.
[6] AJ XVII,355; XVIII,2; Lk 2,2.
[7] AJ XVIII,3.
[8] AJ XVIII,4-8; BJ II,118.
[9] AJ XVIII,3.9.
[10] AJ XVIII,9-10; BJ II,118 (ohne Nennung Zadoks). Beschreibung der Sekte in AJ XVIII, 23-25.
[11] Nach AJ XVIII, 26 fiel der Census des Quirinius in das 37. Jahr nach der Schlacht bei Actium (2. Sept. 31 v.Chr.)
[12] AJ XVIII, 26. Einen Grund für die Absetzung des Joazar, der sich sehr kooperativ gezeigt hatte, nennt Josephus nicht.
[13] AJ XVIII,29-30.
[14] AJ XVIII,31.
[15] Unter den auf den Tempelberg führenden Toren wird im bT, Middot I,3 (Goldschmidt, Bd. IX, S. 677) das 'Qiphonostor' genannt, das seinen Namen wohl nach dem Statthalter trug.
[16] AJ XVIII,31. Der Name ist unsicher. In den Hss. finden sich die Schreibweisenambibouchos, aubiboouchos, Ambiouios (Casaubonus), und Ambiboulos (Niese).
[17] AJ XVIII,32.
[18] AJ XVIII,33.
[19] AJ XVIII, 34-35.
[20] Die Quellen schweigen sich zu dieser Möglichkeit aus. Allerdings erscheint das Zusammenfallen der Anwesenheit des Germanicus im Osten und das plötzliche Ende der willkürlichen Austauschung der Hohepriester nicht zufällig.
[21] AJ XVIII, 35.
[22] BJ II,169; die Amtsbezeichnung nach AE 1963, 104.
[23] In Iudaea wurden unter den Statthaltern auch Kupfermünzen geprägt, die kein menschliches Bild, sondern nur den Namen des Kaisers und "unschuldige Embleme" trugen. (Schürer, 1964, S. 484; s.a. Mommsen, 1956, S. 719) Sie können nicht als direkte Zeugnisse der Statthalter angesehen werden, da sie keine weitergehenden Angaben zu deren Amtsführung enthalten.
[24] AJ XVIII,55.
[25] BJ II,169.
[26]BJ II,170.
[27] AJ XVIII,57.
[28] AJ XVIII,57; BJ II,171.
[29] AJ XVIII,57.
[30] BJ II,171.
[31] BJ II,171;AJ XVIII,57.
[32] AJ XVIII,57; BJ II,172.
[33]BJ II,172-173.
[34] AJ XVIII,58.
[35] AJ XVIII,59; BJ II,174.
[36] BJ II,175-177; AJ XVIII, 60-62.
[37] Philo, Legatio ad Gaium 38.
[38] Lk 13,1.
[39]Lk 3,2.
[40] AJ XVIII, 63-64. Origenes kannte das Testamentum Flavianum noch nicht (Norden, 1973, S. 45, Anm. 23).
[41] Tacitus, Annales 15,44.
[42] AJ XVIII,85.
[43] AJ XVIII,85-87.
[44] AJ XVIII,88.
[45] AJ XVIII,89.
[46] Die deutsche Übersetzung von Clementz, die AJ XVIII,90 mit "darauf" anschlie&azlig;t, ist irreführend und falsch.
[47] AJ XVIII,90.
[48] AJ XVIII,96-105.
[49] AJ XVIII,121-122.
[50] AJ XVIII, 122-123.
[51] Sueton, Tiberius 73,1; Tacitus, 6,50,4.
[52] AJ XIX,314.
[53] AJ XVIII, 170.
[54] AJ XVIII,89.
[55] Es erscheint kaum vorstellbar, dass die Nachrichten aus Iudaea schneller gewesen sein sollen als der eilig reisende Pilatus selbst.
[56] Eusebius, Kirchengeschichte 2,7.
[57] AJ XVIII,237.
[58] AJ XVIII,261.
[59] AJ XVIII,240-256; BJ II,181-183.
[60] AJ XVIII,261-262; BJ II,185-187.
[61] BJ II,192.
[62] AJ XVIII,287
[63] BJ II,201.
[64] AJ XVIII,300-301.
[65] AJ XVIII,303-304.
[66] BJ II,203.
[67] AJ XVIII,308; BJ II,203.
[68] AJ XVIII,274-276; BJ II,215.
[69] BJ II,216.
[70] AJ IXX,297.
[71] AJ IXX,299-311.
[72] AJ IXX,313.
[73] C. Vibius Marsus war Consul suffectus des Jahres 17, im Jahr 19 wurde er zum Legatus pro praetore in Syrien ernannt. Als Statthalter von Syrien folgte er im Jahr 42 dem Petronius. (Deißmann-Merten, Vibius 5), Sp. 1249)
[74] AJ IXX,326-327.
[75] AJ XIX, 363; BJ II, 220. "It was simply another instance of Claudius' general policy regarding vassal kingdoms ..." (Schwartz, 1992, S. 151).
[76] AJ XIX, 364-366.
[77] AJ XX,1.
[78] AJ XX,2-5.
[79] AJ XX,6-7.
[80] AJ XX,10-14.
[81] AJ XX,15-16.
[82] Etwa 500 bis 1000 Mann (eine ala).
[83] AJ XX,97-99.
[84] AJ XX, 100. Von Tiberius Alexander und Cuspius Fadus berichtet Josephus in BJ II,220 nur, dass sie procuratores waren.
[85] AJ XVIII,3.
[86] AJ XX, 102.
[87] AJ XX,104.
[88] Nach der Beschreibung des Josephus entsteht der Eindruck, die Soldaten hätten im eigentlich für Nichtjuden verbotenen Tempelbereich Stellung bezogen.
[89] BJ II,224.
[90] BJ II,225-226.
[91] AJ XX, 110. Offensichtlich waren sie dort nicht ständig stationiert.
[92] AJ XX,112.
[93] BJ II,227.
[94] AJ XX,114-115; BJ II,229.
[95] AJ XX,118; BJ II,232.
[96] AJ XX,119.
[97] BJ II,233.
[98] BJ II,233.
[99] AJ XX,119.
[100] AJ XX,122-124; BJ II,236-237.
[101] AJ XX,125-133; BJ II,239-244.
[102] AJ XX,132; BJ II,244.
[103] Annales XII, 54.
[104] BJ II,247.
[105] M. Antonius Pallas war ein Sklave der Antonia, die ihn im Jahr 31 v.Chr. freiließ (Josephus, AJ XVIII,182). Claudius verlieh ihm die ornamenta praetoria (Plinius d.J., epist. 7,29,2; 8,6,13) und das Amt a rationibus (Sueton, Claudius 28,1). Ob es sich bei dem in den Inschriften CIL V 34 und CIL VI 8413 genannten Antonius Felix um den Procurator handelt, ist nicht sicher.
[106] Sueton, Claudius 28.
[107] AJ XX,161.
[108] AJ XX,161; BJ II,253.
[109] AJ XX,162.
[110] BJ II,256.
[111] AJ XX,8,6; BJ II,13,4.
[112] Dabei befehligte Cumanus nach AJ XX,171, sowohl Infanterie- als auch Kavallerie-Einheiten.
[113] AJ XX,167-168.
[114] AJ XX,169-172; BJ II,261-263. Nochmals sollte dieser Prophet bei der Festnahme der Paulus ins Gespräch kommen.
[115] Apg 21, 10-11.
[116] Apg 21, 21.
[117] Apg 21, 24. Die Reinigung, der sich Paulus unterziehen sollte, ist in Num 6 beschrieben.
[118] Nach Bardtke, S. 117.
[119] Der Name wird genannt in Apg 23, 26.
[120] Apg 21, 31-34. Der Bericht spricht nur von dem "Lager", in das Paulus geschafft wurde, damit ist sicherlich die Antonia gemeint.
[121] Apg 23, 22.
[122] Apg 23,27.
[123] Apg 24,23.
[124] Apg 24,24.
[125] Apg 24,26. Zu vermuten ist natürlich, dass er Paulus gegen eine gewisse Bestechungssumme entlassen hätte.
[126] AJ XX,173-178; BJ II,266-270.
[127] AJ XX,8,9; BJ II,14,1.
[128] AJ XX,182 Später verlor Pallas seinen Einfluß bei Nero gänzlich. Zunächst ging er im Jahr 55 seiner Ämter verlustig (Tacitus, Annales 13,14,1), dann ließ ihn Nero wegen seines Reichtums töten (Tacitus, Annales 14,65,1; Cassius Dio 62,14,3).
[129] Apg 26,32.
[130] AJ XX,185-186.
[131] AJ XX,189-196.
[132] AJ XX,197.
[133] AJ XX, 197.200; BJ II, 272.
[134] AJ XX, 202.
[135] AJ XX, 200. Norden, 1973, S. 45, Anm. 23, weist die denkbare Unechtheit dieser Stelle weit von sich.
[136] AJ XX,202.
[137] BJ II,272.
[138] AJ XX,208-210.
[139] AJ XX,215.
[140] AJ XX,252.
[141] AJ XX,257; Tacitus, Historien V, 10.
[142] BJ II,280-282.
[143] BJ II,284-288.
[144] BJ II,289-292.
[145] BJ II,293-296.
[146] BJ II,298.
[147] BJ II,301-302.
[148] BJ II,305-308.
[149] BJ II,309-314.
[150] Smallwood, 1976, S. 145.
[151] Smallwood, 1976, S. 145.
[152] Hirschfeld hatte die Vermutung aufgestellt, die ersten Statthalter Iudaeas seien Präfekten gewesen, da die militärische Besetzung des Landes zu dieser Zeit im Vordergrund gestanden habe, ohne AE 1963, 104 zu kennen. (Pflaum, Sp. 1241)
[153] AJ XV,408.XVIII,93.XX,106-107.122; BJ II,224.V,244; Apg 23,23.
[154] Mt 27,2.11; Mk 15,1; Lk 23,1; Joh 18,28.
[155] Dort befand sich das Verwaltungszentrum der Provinz und der Procurator residierte dort im ehemaligen Palast des Herodes. (Tacitus, Historien II, 78,4; AJ XV, 331; Apg 10,1.23,23-33.25,1-6)
[156] Die langen Amtszeiten des Gratus und des Pilatus hatten aber vielleicht auch in dem von Josephus in AJ XVIII, 170 angegebenen Grund, wonach er allgemein dazu neigte, die Prokuratoren sehr lange auf ihren Posten zu lassen.

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Literatur


1. Quellenausgaben

BabylonischerTalmud [=bT], Lazarus Goldschmidt (Übers.), Bd. IX, Haag 1935
Cornelius Tacitus, Annalen (lat./dt.), Erich Heller (Hg.), München/Zürich 1982
Cornelius Tacitus, Sämtliche Werke (dt.), Phaidon 1935
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Suetonius Tranquillus, C., Sämtliche Werke, Essen: Phaidon 1987
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