Die Templer und ihr MythosDie wahre Geschichtevon Jörg Dendl[Update: 17. September 2007] |
Zahlreich sind die
Mythen, die sich um den Templerorden ranken. Seit dem
18. Jahrhundert bestimmen sie weitgehend das Bild des
Ritterordens in der Öffentlichkeit. Darum gelten
die Templer als der geheimnisvollste Orden des
Mittelalters, als eine Gemeinschaft, die eine dunkle
Seite verbarg. Doch entsprechen die vielen Behauptungen
auch den historischen Tatsachen? Dass die Geschichte des Endes des Templerordens auch noch eine Überraschung birgt, zeigt sich bei der auch hier vorgestellten Episode "Der Schatz des
Visitators":
Die Suche nach dem legendären Schatz der Templer erwies sich bisher als erfolglos. Ein Hinweis auf einen tatsächlich verschwundenen Templerschatz findet sich allerdings in der Aussage des dienenden Bruders Jean de Châlons. Ende Juni 1308 wurde er von der päpstlichen Kommission in Poitiers als 46. Zeuge befragt. Er war seinen eigenen Angaben nach zunächst Präzeptor des Templer-Hauses in "Marmot" gewesen, zur Zeit seiner Verhaftung habe er als Präzeptor dem Haus von "Nemoris" (Namur?) vorgestanden. Bei der Vernehmung gab er an, einige der hochrangigen Ordensmitglieder hätten schon vorzeitig von der bevorstehenden Verhaftung erfahren. Zu diesem Kreis gehörte demnach Gérard de Villiers, der Präzeptor von Frankreich. Dieser habe sich mit 50 Pferden auf den Weg gemacht und stach, wie der Zeuge gehört haben wollte, mit 18 Galeeren in See. Weiter sagt Jean de Châlon aus: "... Bruder Hugues de Châlons machte sich mit dem gesamten Schatz des Bruders Hugues de Pairaud auf die Flucht." [Finke, Vol. II, Nr. 155, S. 339]
Unwahrscheinlich
ist es nicht, dass die Templer die Pläne des
Königs zu ihrer Verhaftung in Erfahrung bringen
konnten. Der Brief, mit dem Philipp IV. den Haftbefehl
erteilte, war am 14. September 1307 verfaßt
worden, einen ganzen Monat vor dem Verhaftungstermin.
Schon in der Woche nach dem 1. Oktober erschien Hugues
de Pairaud vor dem Papst und äußerte seine
Bedenken wegen des Inhalts des königlichen
Briefes, und sprach davon, dass er, wenn es
möglich wäre, sein eigenes Leben und das
seiner Brüder retten wolle. [Schottmüller,
Vol. I, S. 128; Michelet, Vol. II, S. 373] Auch warnte
der Vorsteher des Temple in Paris alle dort
dienenden Brüder vor Aussagen, die dem Orden
Schaden zufügen könnten.
Etwa 30 namentlich bekannte Templer nutzten das Wissen um die drohende Verhaftung zur Flucht. Ungefähr die Hälfte von ihnen wurde später aufgegriffen und den Untersuchungskommissionen vorgeführt. Wir wissen von ihrer Flucht durch ihre Aussagen. [Michelet, Vol. I, S. 30.509, Vol. II, S. 1.33.144.147.157.159.241.263.265.266] Eine Liste nennt die Namen von zwölf Flüchtlingen, von denen zwei, Imbert Blanc und Pierre de Bouch, in späteren Protokollen als festgenommen genannt werden. Unter den Genannten finden sich weiterhin Hugues de Châlons und Gérard de Villiers, von dem es hier heißt, er habe "... vierzig Brüder bewaffnet ...". [Finke, II, S. 74 (Nr. 50, I)] Damit steht fest, dass zumindest der Schatz des Visitators Hugues de Pairaud tatsächlich mit unbekanntem Ziel verschwand.
Die Flucht dieser Templer war allem Anschein nach keine Kurzschlußhandlung, sondern Teil eines Plans mit dem Ziel, den französischen König zu ermorden. Eine kurze Notiz in derselben Handschrift, die auch die Liste der Flüchtlinge enthält, spricht von dieser Verschwörung. Es heißt dort: "Der Bruder Hugues de Châlons, Neffe des
Visitators, und Bruder Girardus de Monte Claro, Ritter
des Ordens oder Templer-Sekte, beabsichtigten zusammen
mit einigen ihrer Komplizen von der derselben Sekte,
den König zu töten." [Finke, II, S. 75 (Nr.
50, II)]
Diese Notiz ist
allerdings der einzige Hinweis auf ein solches
Komplott, keine der weiteren erhaltenen Aussagen im
Prozess deutet Ähnliches an. Ein weiteres Indiz
für ein geplantes Vorgehen ist die Verwandtschaft
zwischen einzelnen der Flüchtlinge untereinander
und mit Hugues de Pairaud. Man kannte sich und war
sich seiner Vertrauten sicher. Auch wenn Jean de
Châlons sagt, Gérard de Villier habe 50
Pferde weggeführt, die Liste der Flüchtlinge
aber davon spricht, er habe 40 Brüder bewaffnet,
so ist zu erwarten, daß beides
zusammengehört. Der Visitator rüstete
offensichtlich eine bewaffnete Truppe aus, die zu
Pferd mit unbekanntem Ziel verschwand. Dass sie sich
tatsächlich einschifften, ist unwahrscheinlich,
der Zeuge sagte selbst, dies nur gehört zu haben.
Die achtzehn Galeeren wären zweifellos
aufgefallen, eine solche Flotte war sicherlich
aufsehenerregend. Zur Finanzierung des Vorhabens hatte
Hugues de Pairaud seinen Schatz, vielleicht den Inhalt
seines Bankguthabens im Temple von Paris, den
Mitverschwörern überlassen, der an einen
ebenfalls unbekannten Ort gebracht wurde. Barber,
Malcolm, The Trial of the Templars, Cambridge 1978 |
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