Die Unterschrift der Königin
Ein Berliner Papyrus trägt einen authentischen Schriftzug Kleopatras VII.
von Jörg Dendl

Letztes Update: 09.10. 2008

In einer Pressekonferenz am 26. Oktober 2000 wurde in der Remise des Ägyptischen Museums in Berlin Charlottenburg der Weltpresse der Papyrus vorgestellt, der schon seit den ersten Berichten in der Sunday Times vom 22. Oktober 2000, des Berliner Boulevardblattes "BZ" vom 23. Oktober 2000 (S. 4-5), und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. Oktober 2000, S. BS3, großes Interesse geweckt hatte. Dieser Papyrus, der in den Räumlichkeiten des Ägyptischen Museums im Rahmen der Sonderschau "Die Handschrift der Kleopatra" vom 26. Oktober bis zum 26. November 2000 ausgestellt war, trägt, so der an der Universität von Groningen (NL) arbeitende belgische Papyrologe Peter van Minnen in der Pressekonferenz, das Wort "genesthoi" (So soll es geschehen), geschrieben von der letzten Königin Ägyptens, Kleopatra VII. (69 - 30 v.Chr.). Mit dieser Unterschrift bestätigte die Königin eine Reihe von Steuer- und Zollerleichterungen für Publius Canidius Crassus, einen römischen General und Gefolgsmann ihres Mannes Marcus Antonius (82 - 30 v. Chr.).
Der Papyrus kam schon im Jahr 1904 nach Berlin, damals noch als Teil einer spätzeitlichen Mumienkartonage. Es war in der Zeit nach dem Ende der Selbständigkeit Ägyptens üblich geworden, die Akten der einzelnen früheren Kanzleien zu Pappmaché für Mumienmasken zu verarbeiten. Dabei muß, so der Direktor des Ägyptischen Museums, Dietrich Wildung, eine regelrechte antike "Recycling-Industrie" existiert haben, denn die Mumienmaske, die den betreffenden Papyrus enthielt, wurde in Abusir el-Meleq, 300 km von Alexandria entfernt, von Otto Rubenssohn gefunden. Schon vor einigen Jahren war das 20 x 30 cm messende Papyrusfragment von dem Papyrusrestaurator Jürgen Hofmann aus der Kartonage gelöst und konservatorisch behandelt worden.
Als am 9. September 2000 die Festschrift zum 80. Geburtstag des belgischen Papyrologen Jean Bingen erschien [Rudolf de Smet/Henri Melaerts/Cecilia Saerens (Hgg.), Papyri in honorem Johannis Bingen Octogenarii (Studia varia Bruxellensia 5), Leuven 2000], enthielt diese Veröffentlichung auch einen Beitrag der griechischen Papyrologin Panagiota Sarischouli. (Festschrift Bingen, Nr. 45) In ihrem Aufsatz stellt sie den nun als so bedeutsam entdeckten Papyrus als Privatdokument vor. Nach seinen eigenen Worten etwa zwei Wochen nach der ersten Vorstellung dieser Festschrift fand der niederländische Papyrologe Peter van Minnen Zeit, sich die Publikation eingehender anzusehen. Dabei fiel ihm das abgedruckte Faksimile des Papyrus ins Auge. Er erkannte in dem Text eine Anweisung der Königin Kleopatra.

[Die Festschrift enthält ebenfalls die Publikation eines Papyrus aus der Nationalbibliothek in Wien aus dem 4. Jhd. mit dem Text zweier Psalmen.]


Der Papyrus Berolinensis P 25 239

Papyrus
                    Berolinensis P 25 239

Photo: Margarete Büsing

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Im Ägyptischen Museum wurde in der Sonderausstellung die nachfolgende Umschrift des Textes präsentiert, die Peter van Minnen anfertigte:

Transkription des Papyrus Berolinensis P 25
                    239

Diese Wiedergabe des Textes folgt in der Zeilenaufteilung dem Papyrus. Eingerückte Worte gehören noch zur darüber befindlichen Zeile.

(Die Abschrift und graphische Bearbeitung besorgte Annette Pohlke. Der Text findet sich auch in AMUN 8/2001, S. 10)


Der Text des Papyrus Berolinensis P 25 239 lautet in deutscher Übersetzung:

Erhalten im Jahr 19 = 4, am 26. Mecheir

An [Name des Beamten fehlt]

Wir haben Publius Canidius und seinen Erben bewilligt, jährlich zehntausend Artaben Weizen auszuführen und fünftausend koische Keramien Wein einzuführen ohne irgendeine Steuer oder andere Ausgaben überhaupt. Wir haben ihm außerdem Steuerbefreiung für alle ihm im Lande gehöhrenden Äcker bewilligt, wobei er keine Steuer an die Staatskasse oder an uns oder meine Kinder in irgeneiner Art in Zukunft entrichten wird. Ferner sind alle, die ihm das Land bewirtschaften, von dinglicher und steuerlicher Belastung ausgenommen. Sie sind nicht zu den jeweiligen Auflagen in den Gauen verpflichtet noch für Ausgaben für Zivil- oder Militärpersonen. Auch die Zugtiere für die Aussaat, die Lasttiere für den Transport des Weizens und die Schiffe sollen ebenso frei von dinglicher und steuerlicher Belastung sowie von Transportverpflichtung sein.

Geschrieben an die Zuständigen, damit sie nach Kenntnisnahme Folge leisten.

So soll es geschehen

 

(Diese Übersetzung von Prof. Günter Poethke ist dem vom Ägyptischen Museum ausgegebenen Pressematerial entnommen und wurde auch in AMUN 8/2001, S. 11, publiziert.)


Der in der letzten Zeile des Schriftstücks angebrachte Zusatz "So soll es geschehen" (grch.: genesthoi) stammt, wie oben schon gesagt, mit großer Sicherheit von Königin Kleopatra. Zunächst ist festzuhalten, daß Datum, Haupttext und Unterschrift den Händen dreier Schreiber zuzuweisen ist. Als erstes wurde der Haupttext, die Anweisung der Königin, von einem professionellen, aber nicht sehr fähigen, wie Peter van Minnen sagte, Schreiber geschrieben. Dieser Text wurde von einer zweiten Hand mit der Unterschrift bestätigt und somit "amtlich". Diese Handschrift charakterisiert Peter van Minnen als "kleiner, kursiver, pretiöser" als die der anderen Schreiber. Erst bei Eintreffen in der Kanzlei des Beamten, dessen Namen durch eine Beschädigung des Papyrus verlorenging, wurde von einer dritten Hand der Empfängername und das Eingangsdatum hinzugefügt.
Aus diesem Aufbau des Schreibens leitet van Minnen zunächst ab, daß es sich hierbei zweifellos um ein Original und nicht um eine Kopie handelt. Eine solche Kopie zur Weitergabe an die in der letzten Textzeile erwähnten "Zuständigen" hätte nach den Worten des Papyrologen einen gänzlich anderen Aufbau. In einem solchen Fall würde auf dem Blatt zunächst eine Einleitung, geschrieben von dem weitergebenden Beamten, stehen. Und erst dann würde der eigentliche Text des Erlasses folgen. Der wichtigste Punkt in einem solchen Fall wäre aber der Umstand, daß der gesamte Text von nur einer Schreiberhand herstammen würde. Und gerade dies ist bei dem vorliegenden Papyrus nicht der Fall. Es ist also zweifellos ein Original aus der Kanzlei des Königshauses, bestimmt für andere Verwaltungsstellen.
Das die erste Zeile bildende Datum ist der entscheidende Hinweis auf die Regierungszeit Kleopatras VII., der Geliebten Julius Caesars und des Marcus Antonius. "Jahr 19 = 4, am 26. Mecheir" ist, umgerechnet in moderne Kalenderdaten, der 23. Februar des Jahres 33. v. Chr. Und in diesem Jahr wurde Ägypten seit 19 Jahren von Kleopatra VII., der Tochter des Königs Ptolemaios XII., regiert, seit vier Jahren war M. Antonius Mitregent.
Daß dieses Schreiben nicht von einer untergeordneten Person gegengezeichnet wurde, legt der Inhalt nahe. Der Empf¨nger der gewä,hrten Privilegien ist der schon lange aus historischen Quellen bekannte Publius Canidius Crassus, der das Landheer des Marcus Antonius befehligte. Von diesem Namen blieb durch die breite Lücke im Papyrus allerdings nur ein Teil erhalten, weshalb die Bedeutung des Schreibens bei der Erstpublikation durch P. Sarischouli nicht erkannt wurde. Die Autorin hatte den Resten der Buchstaben dieses Namens eine andere Bedeutung gegeben, als sie Peter van Minnen später erkannte. Sie hatte, wie Prof. Heinz Heinen in einem Interview mit der WELT (26.10.2000, S. 30) sagte, die Buchstabenreste als "Kasio(te)i" und damit als Ortsbezeichnung gelesen, und deshalb den Angesprochenen als Unbekannten eingestuft. Peter van Minnens Lesung führt nun dieses Schreiben mitten in die historischen Auseinandersetzungen um die Macht im Imperium Romanum am Ende der Römischen Republik.
Die Bedeutung der in dem Schreiben erwähnten Person stünde auch ohne Kenntnis des Namens außer Frage. Die gewährten Privilegien sind außergewöhnlich. Immerhin beschränken sich die Vergünstigungen nicht allein auf den namentlich angesprochenen, sondern auch auf seine Erben, aber auch auf seine Bediensteten, Pächter und sein Vieh. Die riesige Ausfuhrmenge von 300t Getreide (1 Artbabe=40 l) nach heutigen Maßen, was etliche Schiffsladungen ausgemacht hat, und auch die Erlaubnis zur Einfuhr von ca. 45000 Litern Wein (1 Keramion=6-12l) , zeugen vom großen wirtschaftlichen Engagement des Privilegierten in Ägypten. Diese Privilegien, so Peter van Minne, "greifen tief in die lokalen Verhätnisse ein", und wurden somit zweifellos keinem unbedeutenden Mann gewährt.
Damit ist auch das große Interesse erwiesen, das der unterzeichnende Monarch an dieser Person hatte. Und durch ein schon lange bekanntes historisches Zeugnis wird gerade eine solche Interessenbeziehung zwischen dem Publius Canidius Crassus und Königin Kleopatra VII. bestätigt.
In der von dem aus der Stadt Chaironeia stammenden Schriftsteller Plutarch (um 45 - nach 120 n. Chr.) verfassten Biographie des Marcus Antonius wird ein Vorgang erwähnt, der bestätigt, daß Canidius von Kleopatra VII. große Gaben empfing.
Plutarch berichtet davon, wie M. Antonius in Ephesos zum Krieg gegen Octavian, den späteren Kaiser Augustus, rüstet, um dann auf Kleopatras Beteiligung zu sprechen zu kommen:
"Antonius stellte auf Vorstellung des Domitius und einiger andern der Kleopatra den Antrag, sie sollte nach Ägypten zurückschiffen und dort den Ausgang des Krieges erwarten. Da sie aber befürchtete, daß durch die Vermittlung der Octavia wieder ein Vergleich zustande kommen möchte, brachte sie den Canidius durch eine große Summe Geldes auf ihre Seite und ließ ihn dem Antonius vorstellen, es sei weder billig, diese Frau vom Kriege abzuweisen, die so viele Beiträge dazu gäbe, noch auch vorteilhaft, die Ägypter einen so ansehnlichen Teil seiner Seemacht, dadurch in Mutlosigkeit zu versetzen; ..." (Plutarch, M. Antonius 56; Übers. Kaltwasser, S. 129)
Damit steht der Brief natürlich nicht in einem direkten Zusammenhang mit den Vorgängen des Krieges zwischen Octavian und M. Antonius, aber er belegt, daß die von Plutarch geschilderten Beziehungen zwischen der ägyptischen Königin und dem römischen Feldherrn schon früher bestanden. Der Papyrus dokumentiert die Nebeneinkünfte des Canisius und das Wohlwollen, das die ägyptische Königin ihm entgegenbrachte. Als es schließlich im Jahr 30 v. Chr. zum entscheidenden Kampf zwischen Octavian und M. Antonius kam, versuchte Marcus Antonius auf den Wunsch der Kleopatra hin, die Entscheidung des Kampfes zur See herbeizuführen. Doch als nach den ersten Vorgeplänkeln die Gefahr für die Seestreitmacht des M. Antonius und der Kleopatra deutlich wurde, sprach selbst Canidius gegen die Anwesenheit Kleopatras, wie Plutarch berichtet:
"Auch Canidius, der die Landtruppen anführte, änderte bei der drohenden Gefahr seine Meinung und gab ihm [M. Antonius; J.D.] den Rat, die Kleopatra nach Hause zu schicken, ..." (Plutarch, M. Antonius 64; Übers. Kaltwasser, S. 137)
Selbst die gewährten Vergünstigungen konnten die strategischen Kenntnisse des Feldherrn nicht erschüttern. Die Flotte war zu schwach, die Entscheidung sollte im Gefecht der Landheeres gesucht werden. Doch Antonius blieb bei der einmal gewählten Strategie. Und so wurde seine Flotte am 2. September 30 v. Chr. von der Seestreitmacht Ocatvians überwunden. Kleopatra floh, begleitet von 60 ägyptischen Schiffen, Antonius folgte ihr, seine kämpfende Flotte im Stich lassend.
Es wurde gegen Peter van Minnens Deutung des Schreibens der Einwand erhoben, es gebe einen Fehler in der "Unterschrift", nälich ein an dieser Stelle unrichtiges "Iota subscriptum" am Ende des Wortes. Auf diesen "Fehler" hatte der Trierer Althistoriker Prof. Dr. Heinz Heinen in dem schon zitierten Interview mit der WELT (26.10.2000, S. 30) schon vor der Pressekonferenz hingewiesen: "In der Tat ist das Iota Adscriptum irrtümlich an den Schluss des Ausführungsbefehls gelangt. Dass dieser übrigens nicht seltene Fehler ausgerechnet von der Hand der hoch gebildeten Königin stammen soll, macht einen perplex." Doch Peter van Minnen konnte diesen Einwand schnell entkräften: Auch im laufenden Text findet sich dieser Buchstabe an einer "falschen" Stelle. Und er wies darauf hin, zur Zeit der Abfassung des Textes sei nicht ein " Schulbuchgriechisch" geschrieben worden, sondern die Verwendung des Iota subscriptum allgemein üblich gewesen. Dies hatte allerdings auch Prof. Heinen nicht infrage gestellt.


Die folgende Graphik verdeutlicht nochmals die Verwendung des Iota subscriptum durch den Kanzleischreiber und Königin Kleopatra VII.:

Die beiden Iota subscripta

Die Graphik wurde erstellt von Annette Pohlke nach der Transkription P. van Minnens.

Damit sind nun drei Unterschriften von der Hand antiker Herrscher bekannt, zu den schon auf Papyri belegten Handschriften von Ptolemaios X. und Theodosius II. tritt nun die der Kleopatra.


Literatur

AMUN - Magazin für die Freunde der Ägyptischen Museen, 3. Jg., Nr. 8, 2001 (Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums Berlin e.V.)


Das folgende Bild zeigt eine Großaufnahme des von Kleopatra VII. stammenden Schriftszuges

Papyrus Berolinensis P 25 239

Photo: Margarete Büsing

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In AMUN (3. Jg., Nr. 8, Jan. 2001), der Mitgliederzeitschrift des Vereins zur Förderung des Ägyptischen Museums Berlin e. V. wird der Papyrus und seine historische Einordnung auf den Seiten 5 bis 13 ausführlich vorgestellt.

Der Papyrus war zwischen dem 26. Oktober und 26. November 2000 im Ägyptischen Museum Berlin-Charlottenburg in einer Ausstellung zu sehen. Für alle, die diese Ausstellung nicht besuchen konnten, findet sich hier eine Liste der ausgestellten Objekte mit Beschreibungen:

Die Handschrift der Kleopatra.


In Mega Lithos 1/01, S. 9-11, finden Sie den Bericht "Die Unterschrift der Königin" . Zu beziehen ist das Heft über den Naether-Verlag.

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