In einer Pressekonferenz am 26. Oktober 2000 wurde in
der Remise des Ägyptischen Museums in
Berlin Charlottenburg der Weltpresse der Papyrus
vorgestellt, der schon seit den ersten Berichten in der
Sunday Times vom 22. Oktober
2000, des Berliner Boulevardblattes "BZ" vom 23. Oktober
2000 (S. 4-5), und der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung vom 24. Oktober 2000, S. BS3, großes
Interesse geweckt hatte. Dieser Papyrus, der in den
Räumlichkeiten des Ägyptischen Museums im
Rahmen der Sonderschau "Die Handschrift der
Kleopatra" vom 26. Oktober bis zum 26. November
2000 ausgestellt war, trägt, so der an der
Universität von Groningen (NL) arbeitende belgische
Papyrologe Peter van Minnen in der
Pressekonferenz, das Wort "genesthoi" (So soll es
geschehen), geschrieben von der letzten Königin
Ägyptens, Kleopatra VII. (69 - 30 v.Chr.). Mit
dieser Unterschrift bestätigte die Königin
eine Reihe von Steuer- und Zollerleichterungen für
Publius Canidius Crassus, einen römischen
General und Gefolgsmann ihres Mannes Marcus Antonius
(82 - 30 v. Chr.).
Der Papyrus kam schon im Jahr 1904 nach Berlin,
damals noch als Teil einer spätzeitlichen
Mumienkartonage. Es war in der Zeit nach dem Ende der
Selbständigkeit Ägyptens üblich geworden,
die Akten der einzelnen früheren Kanzleien zu
Pappmaché für Mumienmasken zu verarbeiten.
Dabei muß, so der Direktor des Ägyptischen
Museums, Dietrich Wildung, eine regelrechte
antike "Recycling-Industrie" existiert haben, denn die
Mumienmaske, die den betreffenden Papyrus enthielt,
wurde in Abusir el-Meleq, 300 km von Alexandria
entfernt, von Otto Rubenssohn gefunden. Schon
vor einigen Jahren war das 20 x 30 cm messende
Papyrusfragment von dem Papyrusrestaurator Jürgen
Hofmann aus der Kartonage gelöst und
konservatorisch behandelt worden.
Als am 9. September 2000 die Festschrift zum 80.
Geburtstag des belgischen Papyrologen Jean Bingen
erschien [Rudolf de Smet/Henri
Melaerts/Cecilia Saerens (Hgg.), Papyri in honorem
Johannis Bingen Octogenarii (Studia varia Bruxellensia
5), Leuven 2000], enthielt diese
Veröffentlichung auch einen Beitrag der
griechischen Papyrologin Panagiota Sarischouli.
(Festschrift Bingen, Nr. 45) In ihrem Aufsatz stellt sie
den nun als so bedeutsam entdeckten Papyrus als
Privatdokument vor. Nach seinen eigenen Worten etwa zwei
Wochen nach der ersten Vorstellung dieser Festschrift
fand der niederländische Papyrologe Peter van
Minnen Zeit, sich die Publikation eingehender
anzusehen. Dabei fiel ihm das abgedruckte Faksimile des
Papyrus ins Auge. Er erkannte in dem Text eine Anweisung
der Königin Kleopatra.
[Die Festschrift enthält ebenfalls
die Publikation eines Papyrus aus der Nationalbibliothek
in Wien aus dem 4. Jhd. mit dem Text zweier Psalmen.]
Der Papyrus Berolinensis P 25 239
Photo: Margarete Büsing
Sie möchten die große Version? Hier klicken
To see the picture in full click here
Im Ägyptischen
Museum wurde in der Sonderausstellung die nachfolgende
Umschrift des Textes präsentiert, die Peter
van Minnen anfertigte:
Diese Wiedergabe des
Textes folgt in der Zeilenaufteilung dem Papyrus.
Eingerückte Worte gehören noch zur
darüber befindlichen Zeile.
(Die Abschrift und
graphische Bearbeitung besorgte Annette Pohlke. Der
Text findet sich auch in AMUN 8/2001, S.
10)
Der Text des Papyrus Berolinensis P 25 239
lautet in deutscher Übersetzung:
Erhalten im Jahr 19 = 4, am 26.
Mecheir
An [Name des Beamten fehlt]
Wir haben Publius Canidius und seinen
Erben bewilligt, jährlich zehntausend Artaben
Weizen auszuführen und fünftausend koische
Keramien Wein einzuführen ohne irgendeine
Steuer oder andere Ausgaben überhaupt. Wir
haben ihm außerdem Steuerbefreiung für
alle ihm im Lande gehöhrenden Äcker
bewilligt, wobei er keine Steuer an die Staatskasse
oder an uns oder meine Kinder in irgeneiner Art in
Zukunft entrichten wird. Ferner sind alle, die ihm
das Land bewirtschaften, von dinglicher und
steuerlicher Belastung ausgenommen. Sie sind nicht
zu den jeweiligen Auflagen in den Gauen verpflichtet
noch für Ausgaben für Zivil- oder
Militärpersonen. Auch die Zugtiere für die
Aussaat, die Lasttiere für den Transport des
Weizens und die Schiffe sollen ebenso frei von
dinglicher und steuerlicher Belastung sowie von
Transportverpflichtung sein.
Geschrieben an die Zuständigen,
damit sie nach Kenntnisnahme Folge leisten.
So soll es geschehen
(Diese Übersetzung von Prof. Günter
Poethke ist dem vom Ägyptischen Museum
ausgegebenen Pressematerial entnommen und wurde auch
in AMUN 8/2001, S. 11, publiziert.)
Der in der letzten Zeile des Schriftstücks
angebrachte Zusatz "So soll es geschehen"
(grch.: genesthoi) stammt, wie oben schon
gesagt, mit großer Sicherheit von Königin
Kleopatra. Zunächst ist festzuhalten, daß
Datum, Haupttext und Unterschrift den Händen
dreier Schreiber zuzuweisen ist. Als erstes wurde der
Haupttext, die Anweisung der Königin, von einem
professionellen, aber nicht sehr fähigen, wie
Peter van Minnen sagte, Schreiber geschrieben. Dieser
Text wurde von einer zweiten Hand mit der Unterschrift
bestätigt und somit "amtlich". Diese Handschrift
charakterisiert Peter van Minnen als "kleiner,
kursiver, pretiöser" als die der anderen
Schreiber. Erst bei Eintreffen in der Kanzlei des
Beamten, dessen Namen durch eine Beschädigung des
Papyrus verlorenging, wurde von einer dritten Hand der
Empfängername und das Eingangsdatum
hinzugefügt.
Aus diesem Aufbau des Schreibens leitet van Minnen
zunächst ab, daß es sich hierbei zweifellos
um ein Original und nicht um eine Kopie handelt. Eine
solche Kopie zur Weitergabe an die in der letzten
Textzeile erwähnten "Zuständigen" hätte
nach den Worten des Papyrologen einen gänzlich
anderen Aufbau. In einem solchen Fall würde auf
dem Blatt zunächst eine Einleitung, geschrieben
von dem weitergebenden Beamten, stehen. Und erst dann
würde der eigentliche Text des Erlasses folgen.
Der wichtigste Punkt in einem solchen Fall wäre
aber der Umstand, daß der gesamte Text von nur
einer Schreiberhand herstammen würde. Und gerade
dies ist bei dem vorliegenden Papyrus nicht der Fall.
Es ist also zweifellos ein Original aus der Kanzlei
des Königshauses, bestimmt für andere
Verwaltungsstellen.
Das die erste Zeile bildende Datum ist der
entscheidende Hinweis auf die Regierungszeit
Kleopatras VII., der Geliebten Julius Caesars und des
Marcus Antonius. "Jahr 19 = 4, am 26. Mecheir" ist,
umgerechnet in moderne Kalenderdaten, der 23. Februar
des Jahres 33. v. Chr. Und in diesem Jahr wurde
Ägypten seit 19 Jahren von Kleopatra VII., der
Tochter des Königs Ptolemaios XII., regiert, seit
vier Jahren war M. Antonius Mitregent.
Daß dieses Schreiben nicht von einer
untergeordneten Person gegengezeichnet wurde, legt der
Inhalt nahe. Der Empf¨nger der gewä,hrten
Privilegien ist der schon lange aus historischen
Quellen bekannte Publius Canidius Crassus, der
das Landheer des Marcus Antonius befehligte. Von
diesem Namen blieb durch die breite Lücke im
Papyrus allerdings nur ein Teil erhalten, weshalb die
Bedeutung des Schreibens bei der Erstpublikation durch
P. Sarischouli nicht erkannt wurde. Die Autorin
hatte den Resten der Buchstaben dieses Namens eine
andere Bedeutung gegeben, als sie Peter van Minnen
später erkannte. Sie hatte, wie Prof. Heinz
Heinen in einem Interview mit der WELT
(26.10.2000, S. 30) sagte, die Buchstabenreste als
"Kasio(te)i" und damit als Ortsbezeichnung gelesen,
und deshalb den Angesprochenen als Unbekannten
eingestuft. Peter van Minnens Lesung
führt nun dieses Schreiben mitten in die
historischen Auseinandersetzungen um die Macht im Imperium
Romanum am Ende der Römischen Republik.
Die Bedeutung der in dem Schreiben erwähnten
Person stünde auch ohne Kenntnis des Namens
außer Frage. Die gewährten Privilegien sind
außergewöhnlich. Immerhin beschränken
sich die Vergünstigungen nicht allein auf den
namentlich angesprochenen, sondern auch auf seine
Erben, aber auch auf seine Bediensteten, Pächter
und sein Vieh. Die riesige Ausfuhrmenge von 300t
Getreide (1 Artbabe=40 l) nach heutigen Maßen,
was etliche Schiffsladungen ausgemacht hat, und auch
die Erlaubnis zur Einfuhr von ca. 45000 Litern Wein (1
Keramion=6-12l) , zeugen vom großen
wirtschaftlichen Engagement des Privilegierten in
Ägypten. Diese Privilegien, so Peter van Minne,
"greifen tief in die lokalen Verhätnisse ein",
und wurden somit zweifellos keinem unbedeutenden Mann
gewährt.
Damit ist auch das große Interesse erwiesen, das
der unterzeichnende Monarch an dieser Person hatte.
Und durch ein schon lange bekanntes historisches
Zeugnis wird gerade eine solche Interessenbeziehung
zwischen dem Publius Canidius Crassus und Königin
Kleopatra VII. bestätigt.
In der von dem aus der Stadt Chaironeia stammenden
Schriftsteller Plutarch (um 45 - nach 120 n.
Chr.) verfassten Biographie des Marcus Antonius wird
ein Vorgang erwähnt, der bestätigt,
daß Canidius von Kleopatra VII. große
Gaben empfing.
Plutarch berichtet davon, wie M. Antonius in Ephesos
zum Krieg gegen Octavian, den späteren Kaiser
Augustus, rüstet, um dann auf Kleopatras
Beteiligung zu sprechen zu kommen:
"Antonius stellte auf Vorstellung des Domitius und
einiger andern der Kleopatra den Antrag, sie sollte
nach Ägypten zurückschiffen und dort den
Ausgang des Krieges erwarten. Da sie aber
befürchtete, daß durch die Vermittlung der
Octavia wieder ein Vergleich zustande kommen
möchte, brachte sie den Canidius durch eine
große Summe Geldes auf ihre Seite und ließ
ihn dem Antonius vorstellen, es sei weder billig,
diese Frau vom Kriege abzuweisen, die so viele
Beiträge dazu gäbe, noch auch vorteilhaft,
die Ägypter einen so ansehnlichen Teil seiner
Seemacht, dadurch in Mutlosigkeit zu versetzen; ..."
(Plutarch, M. Antonius 56; Übers. Kaltwasser, S.
129)
Damit steht der Brief natürlich nicht in einem
direkten Zusammenhang mit den Vorgängen des
Krieges zwischen Octavian und M. Antonius, aber er
belegt, daß die von Plutarch geschilderten
Beziehungen zwischen der ägyptischen Königin
und dem römischen Feldherrn schon früher
bestanden. Der Papyrus dokumentiert die
Nebeneinkünfte des Canisius und das Wohlwollen,
das die ägyptische Königin ihm
entgegenbrachte. Als es schließlich im Jahr 30
v. Chr. zum entscheidenden Kampf zwischen Octavian und
M. Antonius kam, versuchte Marcus Antonius auf den
Wunsch der Kleopatra hin, die Entscheidung des Kampfes
zur See herbeizuführen. Doch als nach den ersten
Vorgeplänkeln die Gefahr für die
Seestreitmacht des M. Antonius und der Kleopatra
deutlich wurde, sprach selbst Canidius gegen die
Anwesenheit Kleopatras, wie Plutarch berichtet:
"Auch Canidius, der die Landtruppen anführte,
änderte bei der drohenden Gefahr seine Meinung
und gab ihm [M. Antonius; J.D.] den Rat, die Kleopatra
nach Hause zu schicken, ..." (Plutarch, M. Antonius
64; Übers. Kaltwasser, S. 137)
Selbst die gewährten Vergünstigungen konnten
die strategischen Kenntnisse des Feldherrn nicht
erschüttern. Die Flotte war zu schwach, die
Entscheidung sollte im Gefecht der Landheeres gesucht
werden. Doch Antonius blieb bei der einmal
gewählten Strategie. Und so wurde seine Flotte am
2. September 30 v. Chr. von der Seestreitmacht
Ocatvians überwunden. Kleopatra floh, begleitet
von 60 ägyptischen Schiffen, Antonius folgte ihr,
seine kämpfende Flotte im Stich lassend.
Es wurde gegen Peter van Minnens Deutung des
Schreibens der Einwand erhoben, es gebe einen Fehler
in der "Unterschrift", nälich ein an dieser
Stelle unrichtiges "Iota subscriptum" am Ende des
Wortes. Auf diesen "Fehler" hatte der Trierer
Althistoriker Prof. Dr. Heinz Heinen in dem
schon zitierten Interview mit der WELT (26.10.2000, S.
30) schon vor der Pressekonferenz hingewiesen: "In der
Tat ist das Iota Adscriptum irrtümlich an den
Schluss des Ausführungsbefehls gelangt. Dass
dieser übrigens nicht seltene Fehler ausgerechnet
von der Hand der hoch gebildeten Königin stammen
soll, macht einen perplex." Doch Peter van Minnen
konnte diesen Einwand schnell entkräften: Auch im
laufenden Text findet sich dieser Buchstabe an einer
"falschen" Stelle. Und er wies darauf hin, zur Zeit
der Abfassung des Textes sei nicht ein "
Schulbuchgriechisch" geschrieben worden, sondern die
Verwendung des Iota subscriptum allgemein üblich
gewesen. Dies hatte allerdings auch Prof. Heinen nicht
infrage gestellt.
Die folgende Graphik
verdeutlicht nochmals die Verwendung des Iota
subscriptum durch den Kanzleischreiber und
Königin Kleopatra VII.:
Die Graphik wurde
erstellt von Annette Pohlke nach der Transkription
P. van Minnens.
Damit sind nun drei Unterschriften von der Hand
antiker Herrscher bekannt, zu den schon auf Papyri
belegten Handschriften von Ptolemaios X. und
Theodosius II. tritt nun die der Kleopatra.
AMUN - Magazin für die Freunde
der Ägyptischen Museen, 3. Jg., Nr. 8, 2001
(Verein zur Förderung des Ägyptischen
Museums Berlin e.V.)
Das folgende Bild zeigt
eine Großaufnahme des von Kleopatra VII.
stammenden Schriftszuges
Photo: Margarete Büsing
Sie möchten die große Version? Klicken Sie hier
To see the picture in full click here
In AMUN
(3. Jg., Nr. 8, Jan. 2001), der
Mitgliederzeitschrift des Vereins zur
Förderung des Ägyptischen Museums Berlin
e. V. wird der Papyrus und seine historische
Einordnung auf den Seiten 5 bis 13 ausführlich
vorgestellt.
Der Papyrus war zwischen dem 26. Oktober und 26.
November 2000 im Ägyptischen Museum
Berlin-Charlottenburg in einer Ausstellung zu sehen.
Für alle, die diese Ausstellung nicht besuchen
konnten, findet sich hier eine Liste der
ausgestellten Objekte mit Beschreibungen:
Die
Handschrift der Kleopatra.
In Mega Lithos 1/01, S. 9-11, finden Sie
den Bericht "Die Unterschrift der Königin"
. Zu beziehen ist das Heft über den Naether-Verlag.
Besucher
|