Atlantis und Xochicalco

Ein Kommentar zu einem Artikel von Augustus Le Plongeon

von Jörg Dendl
[Update: 03. Oktober 2006]


Inhalt
1. Zusammenfassung 06.05.2004
2. Das Leben Le Plongeons 06.05.2004
3. Le Plongeons Artikel 06.05.2004
Kommentar 06.05.2004
Schluss 06.05.2004
Literatur 06.05.2004
Links 06.05.2004
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Zusammenfassung

Am 10. März 1901 veröffentlichte die amerikanische Zeitschrift New York Herald einen kurzen Artikel, in dem der französische Autor und Maya-Forscher Augustus LePlongeon nachzuweisen versuchte, dass sich an der Pyramide von Xochicalco (Mexico) Reliefdarstellungen und Hieroglyphen-Texte befinden, durch die Platons Schilderung vom Untergang der Insel Atlantis bestätigt werden. Eine eingehende Analyse der Argumentation des Autors zeigt die Schwächen dieser These auf.

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Das Leben Le Plongeons

Augustus LePlongeon ist zweifellos einer der originellsten Atlantis-Forscher überhaupt. Er erarbeitete seine Thesen nicht allein am Schreibtisch, sondern betrieb ausgedehnte archäologische Feldstudien, bei denen er sich als Ausgräber und Entdeckter versunkener Maya-Stätten einen Namen machte. Die Ergebnisse dieser Forschungen stellte er in mehreren Büchern dar, die allerdings schon längst weitgehend dem Vergessen anheim gefallen sind. Daneben verfasste er noch Zeitschriftenartikel, wie den hier vorgestellten, der am 10.März 1901 im New York Herald erschien. Um die Intentionen und Voraussetzungen des Autors für die hier vorgestellte Deutung der Hieroglyphentexte an der Pyramide von Xochicalco verständlich zu machen, soll hier zunächst ein knapper Überblick über Leben und Werk LePlongeons gegeben werden.
Augustus LePlongeon, Comte de Coqueville, wurde im Jahr 1826 auf der Kanalinsel Jersey geboren. In England studiert er Medizin und erwarb den Doktorgrad. Nach seiner Heirat mit der Amerikanerin Alice Dixon lebte er fünf Jahre in den Ruinen der Maya-Stadt Chichen Itza. Während dieses Forschungsaufenthalts leistete er wahre Pionierarbeit in der mexikanischen Archäologie. Insgesamt hielt er sich nach seinen eigenen Angaben 12 Jahre in Mexiko auf und widmete sich seinen Forschungen. [Le Plongeon, 1886, S. 152] Sein Beitrag zur Archäologie der mittelamerikanischen Kulturen vor Kolumbus ist nicht unwesentlich, was allerdings erst von der modernen Wissenschaft gewürdigt wird. In einem seiner Werke klagte er über das seinerzeit bestehende Desinteresse der Amerikaner an der Geschichte ihres Kontinents.
Die Bedeutung der archäologischen Arbeiten Le Plongeons wurde damals nicht erkannt. [Le Plongeon, 1886, S. XX-XI] Der tschechische Maya-Experte Miloslav Stingl schreibt über ihn: "Wir verdanken ihm die erste wirklich archäologische Erforschung des gesamten Stadtareals [von Chichen Itza; JD]; vergessene Pyramiden und Tempel befreite er von ihrer grünen Selvahülle ...". [Stingl, 1971, S. 188] Augustus Le Plongeon entdeckte auch als erster eine Statue des "liegenden Gottes" Chac-Mool.
Im Jahr 1880 siedelte er sich als naturalisierter Amerikaner in Brooklyn an und machte sich an die schriftliche Ausarbeitung seiner Thesen, die er in drei Büchern und zahlreichen Artikel vorstellte. [Vestiges of the Mayas, o.O: 1881; Sacred Mysteries among the Mayas & Quiches 11,500 years ago, New York: Macoy 1886; Queen Móo and the egyptian Sphinx, New York 1895; The Maya Alphabet, in: Supplement to Scientific American, Vol. XIX (31.01.1895), S. 7572-7573; The ancient Mayan hieratic alphabet according the Atlantis. Mural inscriptions, San Francisco o. J.; Maya Atlantis: Queen Móo and the Egyptian Sphinx, o.O.: Garber 1991] Auch hielt er Vorlesungen am Lowell Institut in Boston. Im Jahr 1908 starb der Forscher im Alter von 86 Jahren.
Aus seinen langjährigen Grabungen zog Le Plongeon Schlüsse, die nicht nur zu seiner Zeit befremdlich wirkten. In seinen Publikationen versuchte er den Beweis für die Annahme anzutreten, dass die Maya der Ursprung aller Mysterien und Götterlehren der antiken Kulturen waren. Seiner Ansicht nach nahmen diese Geheimnisse von Mexiko ausgehend über Indien, Mesopotamien, Ägypten, Griechenland und Rom ihren Weg bis in seine eigene Zeit, hin zu den Ritualen der Freimaurer. [Le Plongeon, 1886, S. 32] Um diesen Beweis zu führen, zog er nicht nur die von ihm selbst ergrabenen Funde heran, sondern machte sich auch daran, die erhaltenen Maya-Schriften zu entschlüsseln. Dabei legte er als Schlüssel eine überarbeitete Version des von Bischof Diego de Landa aufgezeichneten "Maya-Alphabets" zugrunde, das in dessen im Jahr 1566 niedergeschriebenen "Relción de las cosas de Yucatán" (Bericht aus Yucatán) Eingang fand. [Landa, 1990, S. 233] Dieses "Alphabet" ist eine einfache Gegenüberstellung von lateinischen Buchstaben und Maya-Glyphen, die ungefähr denselben Lautwert haben. Dabei hatte Bischof de Landa ausser acht gelassen, dass so kein wirklicher Zusammenhang zwischen dem lateinischen Alphabet und den Schriftzeichen der Maya hergestellt war. Eine Übersetzung von Maya-Texten auf der Grundlage dieser Gegenüberstellung mußte zum Scheitern verurteilt sein. Erst die moderne Forschung hat das "de Landa-Alphabet" wiederentdeckt, da es den Lautwert (nicht aber die Bedeutung) der aufgezeichneten Glyphen überliefert, wodurch die Entzifferung der Maya-Schrift tatsächlich vorangebracht werden konnte. Als erster hatte der Wiederentdecker der "Relación", Abbé Charles Brasseur de Bourbourg (1814-1874) das "de Landa-Alphabet" zur Grundlage einer Übersetzung des "Troano-Codex", einer in Madrid aufbewahrten Maya-Handschrift, gemacht. Die von Brasseur de Bourbourg mit gutem Willen und viel Phantasie erstellte "Übersetzung" enthielt den Bericht von schweren Erdbeben und dem Untergang eines Landes namens "Mu", das seither in der Atlantis-Forschung ein nicht enden wollendes Eigenleben führt. So schrieb der amerikanische Autor James Churchward mehrere Bücher über Mu, in dem er haltlose "Beweise" für die einstige Existenz dieses Kontinents zusammentrug, die heute noch Leser finden. [u.a. Mu, der versunkene Kontinent, Aitrang 1990] Auch Augustus Le Plongeon versuchte sich an einer Übersetzung des Troano-Codex mit Hilfe des de Landa-Alphabets. Diese Übersetzung und seine archäologischen Entdeckungen wurden für Le Plongeon zur Grundlage der Rekonstruktion der Maya-Geschichte. Demnach stand im Zentrum einer Auseinandersetzung zwischen den Prinzen Coh und Aac die Prinzessin Móo. Als Coh getötet wurde und dann der Kontinent Mu (Atlantis) versank, floh die Prinzessin nach Ägypten und errichtete dort den Sphinx von Giza als Denkmal für Prinz Coh. Als Belege für diese Geschichte sah Le Plongeon die Hieroglypheninschriften an den Mauern der Gebäude von Chichen Itza an. [Le Plongeon, 1886, S. 77-83. s.a. Stemman, 1980, S. 72-73]

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Die Pyramide von Xochicalco erzählt die Geschichte des verlorenen Kontinents Atlantis

 
Aufsatztitel - Die Pyramide von
                          Xochicalco
[Für den englischen Text bitte auf den Titel klicken.]
 
Die römischen Ziffern am Beginn der einzelnen Abschnitte wurden hinzugefügt, um die Erschliessung durch den Kommentar zu erleichtern; JD.

 

I. Die Pyramide von Xochicalco, in einer Höhe von 5395 Fuß [ca. 1645 m; JD] über dem Meer süd-südwestlich der Stadt Cuernavaca und 4 ½ Meilen [ca. 7,3 km; JD] von dem Indianderdorf Tetlama entfernt gelegen, ist, wenn nicht eines der ältesten von Menschen errichteten Bauwerke, letztendlich eines der wichtigsten der Geschichte der Menschheit unter den modernen christlichen und mohammedanischen Kulturnationen. Dieses Bauwerk ist ein auf Stein geschriebener Bericht über die furchtbare Katastrophe, die den Untergang und die Zerstörung des Landes Mu (Platons Atlantis) mitsamt seiner Bevölkerung von 64.000.000 Menschen vor 11.500 Jahren auslöste. Kommentar I

II. Vor einigen Wochen erhielt ich von Mr. C. V. Collins, einem Manager des in Minneapolis (Minn.) erscheinenden "Northwestern Agriculturist", freundlicherweise einige Photographien von antiken Bauwerken in Mexiko, von wo er kürzlich zurückkehrte, und über die er in einigen westlichen Städten las. Unter diesen Photographien waren einige der Südseite der Pyramide von Xochicalco.Kommentar II

III. Seit mehr als einem Jahrhundert wurde diese Pyramide von weltberühmten europäischen Gelehrten besucht und beschrieben, wie Alexander von Humboldt und in unserer Zeit von Méhédin, dem Mitglied der wissenschaftlichen französischen Kommission in Mexiko; Dr. Seler aus Berlin; Dr. Antonio Peñafiel aus Mexiko und anderen. Vor diesen schrieb der mexikanische Mönch Vater José Antonio Alzate, ein gelehrter Physiker und Astronom, nach einem Besuch der berühmten Ruinen eine Beschreibung, die 1787 in Mexiko veröffentlicht wurde und versuchte eine Restaurierung des Monuments. Ebenso verfaßte Captain Dupaix im Jahre 1807 eine Beschreibung auf Befehl des spanischen Königs. (veröffentlicht in Kingsboroughs großem Werk Mexican Antiquities, Vol. V, S. 222) Befremdlich wie es erscheinen mag, hat keiner dieser Wissenschaftler jemals an dem Zweck gezweifelt, den die Erbauer im Sinn hatten, als sie diese Bauten errichteten. Deshalb blieb ihnen deren große historische und wissenschaftliche Bedeutung unbekannt. Humboldt sah darin eine militärische Befestigung und Dupaix scheint der gleichen Ansicht gewesen zu sein. Es war aber beiden unmöglich, die Natur der Bildwerke zu entschlüsseln, die die Gebäude schmücken. Humboldt sah in ihnen wasserspeiende Krokodile; Dupaix Blumengirlanden, Früchte, Tiere und andere mysteriöse Objekte, er war nicht in der Lage, die Bedeutung des Ganzen auszumachen. Eine kurze Beschreibung, entnommen den Berichten dieser beiden Autoren, die diese Monumente vor einem Jahrhundert besuchten, mag hier nicht am falschen Platz sein. Kommentar III

IV. Die Gebäude stehen auf einem isolierten natürlichen Hügel von 117 m Höhe, der durch Menschenhand in fünf Terrassen aufgeteilt wurde, um eine stufenförmige, viereckige Pyramide zu bilden, deren Seiten nach den Kardinalpunkten ausgerichtet sind. Die Orientierung ist perfekt. Die Seiten sind von Mauern aus Porphyrsteinen verdeckt, die perfekt quadratisch zugehauenen sind und Bahnen von größter Regelmäßigkeit bilden, bedeckt mit Hieroglyphen und rot bemalt.
Die Basis der Pyramide wurde von einem breiten und tiefen Graben umgeben, der 4000 m (über 3 Meilen) im Umfang mißt. Der Aufstieg zur Plattform wurde von einer steilen schiefen Ebene und einer Treppe auf der Westseite des Monuments gebildet. Diese Plattform hatte eine Fläche von 9000 Quadratmetern und auf ihr sind heute die Ruinen eines kleinen quadratischen Gebäudes zu sehen, folgte man Humboldt. Dieses wurde von einer nüchternen Steinmauer umgeben, die nach Dupaix als Brüstung diente. Kommentar IV

V. Im Zentrum des Hügels befinden sich von Menschenhand geschaffene Galerien und Kammern, deren Eingang sich auf der Nordseite befindet. Es gibt kaum Zweifel daran, dass dort die Steine gebrochen wurden, die für die Errichtung des Gebäudes benötigt wurden.
Diese Beschreibung ist sicherlich sehr interessant in Hinsicht auf die vielen Punkte, in denen sie mit dem Hügel übereinstimmt, auf dem sich, Platons Beschreibung zufolge, der Palast der alten Könige und der Kleito und Poseidon geweihte Tempel auf der Insel Atlantis befand. Kommentar V

VI. Die Sprache, die in den Inschriften gebraucht wird, die den Bericht über die Katastrophe wiedergegeben, ist die der Maya, und die Schrift, ebenso die der Maya, ist zu einem Teil alphabetisch, zum anderen Teil syllabisch, zum Teil auch bildlich und symbolisch, aber trotzdem leicht zu interpretieren für den, der den Schlüssel besitzt. Kommentar VI

VII. Die Übersetzung einiger der Hieroglyphen wird fürs erste ausreichen, um den Zweck zu zeigen, den die Erbauer im Auge hatten, als sie das Gebäude konstruierten. Wer waren sie? Welcher Rasse gehörten sie an? Mit den uns heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ist es unmöglich, Vermutungen anzustellen. Es ist sicher, dass sie keine Maya waren, obwohl sie die Sprache der Maya, ihr Alphabet und ihre Symbole verwendeten. Die in den Skulpturen dargestellten Personen haben künstlich verformte Schädel und sitzen mit gekreuzten Beinen. Die Maya veränderten nie die Form ihrer Köpfe durch künstliche Mitte und sie saßen sehr selten, wenn überhaupt, mit gekreuzten Beinen. Kommentar VII

VIII. Es ist erstaunlich, dass die gelehrten Männer, die die Pyramide von Xochicalco besucht und beschrieben haben, nie darauf kamen, dass; es sich um ein Mausoleum handelte, das zur Erinnerung an ein großes und fürchterliches Ereignis errichtet wurde. Ein Blick auf die Haltung der an den Mauern dargestellten Personen sollte ihnen gezeigt haben, dass; sie einen Ausdruck des Grauens zeigen; denn die antiken Menschen zeigten ihre Gefühle durch die gleichen instinktiven Bewegungen wie die modernen Menschen.
Was es war, das bei ihnen eine solche Bestürzung auslöste, können wir durch die folgenden Buchstaben erkennen. Kommentar VIII

IX. Auf der zwölften Seite der Einleitung meines Buches "Sacred Mysteries", das heute nicht mehr in Druck ist, findet sich das von mir gefundene Maya-Alphabet Seite an Seite mit dem ägyptischen hieratischen Alphabet. Dort ist zu sehen, dass das Zeichen Glyphe
                    I eines der Zeichen für unseren Buchstaben H ist, und der Maya-Buchstabe Glyphe II mit unserem U übereinstimmt. Zusammen ergeben diese das Maya-Wort huu (Zerstörung), ein Wort, das auch der Stamm aller Vokabeln ist, die Zerstörung bedeuten. (s.a J.P. Parez, Maya Dictionary) Unter diesem Wort findet man Zeichen, deren Bedeutung "Land im Atlantischen Ozean" ist. Ich möchte dies erläutern: Folgt man der östlichen Küstenlinie des amerikanischen Kontinents von Neufundland bis zum Nordende des Cape Saint Roque in Brasilien, hat man exakt das Mayasymbol Glyphe
                    III, das im Troano-Manuskript wiederholt in Verbindung mit dem Land Mu auftritt.
Das Rechteck darin ist das Mayazeichen für unsere Buchstaben P und B. Es steht für das Mayawort balcah, das "das Land und seine Bewohner" bedeutet; deshalb: "das Land und sein Volk im Atlantischen Ozean". Glyphe IV
Glyphe V Innerhalb des Rechtecks befindet sich ein Gesicht mit offenem Mund und der Kruppe eines Tieres. Diese Zeichen ergeben das Mayawort ppay, das "Zu Atomen zerkleinert" bedeutet. Damit kann der ganze Satz mit "Zerstörung des Landes und seiner Einwohner im Atlantischen Ozean durch Zerkleinerung zu Atomen" übersetzt werden.
Hierin finden wir dann eine Erklärung für die Haltung der Bestürzung und des Schreckens, die in den an dem Gebäude dargestellten Menschen porträtiert wurde.
 
 
 
Kommentar IX
Glyphe VI

X. Ebenso fragte man sich bei der Schlange, die Humboldt für eine wasserspeiendes Krokodil hielt, und deren Wellenform Dupaix als Blumengirlande ansah, der seine Idee vom mexikanischen Namen Xochicalco (das Haus der Blumen) ableitete, was diese tatsächlich darstellt. Wiederum ist es der Ozean, die See, die nach dem Erdbeben alles umschloss. Die Schlange unterscheidet sich von der in den Inschriften, Büchern und Malereien als Symbol des Landes auftretenden, da sie keine Flügel und keinen Pfeil am Schwanz hat, ebensowenig ist die das Symbol des Königs, da sie keinen Federmantel und keine Klapper am Schwanzende hat. Aber es handelt sich bei ihr, wie die Inschrift unter den Zeichen, die ich soeben erklärt habe, uns berichtet, um Canah, die mächtige Schlange des Ozeans, die See, deren Symbol im Troano-Manuskript immer ein Schlangenkopf ist. Kommentar X

XI. Auf der Leiste sind ebenfalls mehrere mit gekreuzten Beinen sitzende Figuren zu sehen, deren eine Hand auf dem Land Mu ruht. Ausserdem sind bei ihnen diese anderen Zeichen

Glyphe VII, ma, das Land Glyphe
                      VIII und Erdbeben.
Kommentar XI

XII. Mangel an Platz verhindert eine Interpretation einer größeren Anzahl von Hieroglyphen, aber anderswo wird dies sicherlich möglich sein; inzwischen reichten die wenigen hier übersetzten Zeichen aus, um zu zeigen, dass die Pyramide errichtet wurde, um an die grosse Katastrophe zu erinnern, die am Tag

Glyphe IX 13 Chuen im Maya-Monat Zac im Jahr Kan stattfand, was unserem 7. Februar entspricht, was ebenso im Troano-Manuskript und im Codex Cortesianus berichtet wird. Kommentar XII

XIII. Dies ist dann der fünfte und wichtigste der Berichte in Maya-Sprache über die Katastrophe, die in der erschreckenden Tradition der Flut bei den Christen, Juden und Mohammedanern nachklingt, in deren heiligen Büchern die Erzählung bewahrt ist. Kommentar XIII

[New York Herald, 10.03.1901, S. XXX]

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Kommentar:

I. Wenn Le Plongeon in der Einleitung zu seinem Artikel zu bedenken gibt, die Pyramide von Xochicalco könne "... eines der ältesten von Menschen errichteten Bauwerke ..." sein, dann ist darauf zu verweisen, dass er schon früher ein Gebäude in Uxmal als das älteste bekannte Bauwerk der Welt eingestuft hatte. [Le Plongeon, 1886, S. 41] Er ordnete es der Zeit um 9600 v. Chr. zu, in der seinen Berechnungen nach die Insel Atlantis versank. Durch den an der Pyramide von Xochicalco "... steingewordenen Bericht über die furchtbare Katastrophe ...", in der Atlantis versank, sieht Le Plongeon den Bericht ergänzt und bestätigt, den er aus den Glyphen des Troano-Codex herausgelesen hatte. Am Ende des Artikels kommt er wieder darauf zurück. (siehe hierzu Abschnitt XIII) dieses Kommentars. Text

II. Für seine Analyse lagen Le Plongeon nach seinen Worten Photos der Reliefs auf der Südseite der Pyramide vor. Er gibt nicht an, wieviele Bilder es waren. Einen ungefähren Eindruck vermittelt das dem Artikel beigefügte Bild, das allerdings nur von geringer Druckqualität ist und somit dem Leser keine Hilfe ist. Dazu kommt der Umstand, dass dieses Bild zwar eine der auch im Artikel erwähnte im Relief dargestellten Personen zeigt, aber nicht die gedeutete Glyphen-Gruppe. Die dem Artikel beigefügten Zeichnungen lassen auch keinen direkten Schluss auf die Anordnung der Zeichen im Relief zu. Beim Vergleich mit modernen Photographien des gleichen Reliefsabschnitts läßt sich erkennen, dass sich die einzige Glyphengruppe, die Le Plongeon in seinem Artikel auflöst, außerhalb des abgedruckten Bildausschnitts findet. [Siehe die Abb. bei Prem/Dykerhoff, 1986, S. 80-81] Dem Leser des Jahres 1901 war somit kein Material an die Hand gegeben, das es ihm ermöglicht hätte, die Gedankengänge des Autors nachzuvollziehen. Text

III. Le Plongeon hatte sich in Vorbereitung seines Artikels anhand der ihm vorliegenden Forschungsliteratur seiner Zeit über die Verhältnisse in Xochicalco sachkundig gemacht. Dabei zeigt sich der zu seiner Zeit noch sehr unzureichende Kenntnisstand. Zwar erwähnt er die seinerzeit wirkenden Gelehrten Mehedin, Eduard Seler und Antonio Peñafiel, geht aber nicht weiter auf sie ein. In seiner Darstellung stützt er sich einerseits ausdrücklich auf Guillaume Dupaix. Das umfangreiche Werk dieses Forschers mit dem Titel "Antiquités mexicaines" erschien im Jahr 1844 und enthält nur wenige Informationen über Xochicalco. Insbesondere der dort publizierte Stich der Pyramide ist durch die nicht der Realität entsprechenden Wiedergabe der Reliefs unbrauchbar. [Dupaix, 1844, Tafel XXXI, Text Tome I, Premiére Partie, S. 15] Die Beschränkung auf die Arbeiten Alexander von Humboldts und Dupaix´ bei der Beschreibung der Einzelheiten ergab sich möglicherweise daraus, dass Le Plongeon nur deren Werke für seinen Überblick zur Verfügung standen. Text

IV. Die Hauptanlagen von Xochicalco erstrecken sich auf einem 130 m hohen Hügel, neben dem ein weiterer Hügel namens Coatzin liegt, auf dem sich einige weitere Ruinen befinden. Der gesamte Hügel von Xochicalco wurde durch den Bau von Terrassen umgestaltet. Bis zu fünf solcher Terrassen sind an verschiedenen Punkten zu erkennen. Eduardo Noguera schreibt darüber: "Diese Anlage hat eine derartige Größe, dass sie einer gigantischen Treppe aus Terrassen gleicht, die zu der breiten Plattform hinaufführt, auf der die höheren Monumente errichtet wurden." [Noguera, 1961, S. 30] Diese gewaltige Anlage ist gekrönt von der Pyramide oder Tempelplattform, die mit ihren Seiten nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet ist.
Angaben über die Maße dieses am höchsten Punkt Xochicalcos errichteten Bauwerks macht Le Plongeon nicht. Von Osten nach Westen mißt die Basis 18,6 m, während sie von Norden nach Süden 21,0 m mißt. Auf dieser Grundfläche erhebt sich die Plattform. Sie hat eine Höhe von 4,33 m, wobei sie nochmals dreigeteilt ist. Den unteren Teil bildet ein Reliefband von 2,70 m Höhe, über dem sich ein weiteres von 1,16 m Höhe und ein Zierfries von 47 cm befindet. [Noguera, 1961, S. 31] Teile dieser Reliefs werden von Le Plongeon gedeutet. Auf die Plattform führt von Westen her eine Treppe mit 14 Stufen hinauf. Sie ist 9,60 m breit und wird von Rampen flankiert, die jeweils 1,14 m breit sind. Oben auf der Plattform befindet sich, etwas nach Osten verschoben, der Rest eines weiteren Stockwerks. Es ist nahezu quadratisch mit einer Basislänge von Westen nach Osten von 14,26 m und von Norden nach Süden von 14,10 m Heute beträgt sie Höhe der angeschrägten Mauern nur noch 1,60 m. Es ist zu vermuten, dass sie einst höher waren. Dies ist das "... kleine quadratische Gebäude ...", von dem Le Plongeon spricht. Obwohl es sich eher um eine Tempelplattform handelt, wird in der Literatur von der "Pyramide von Xochicalco" gesprochen. Text

V. Die von Norden her zugänglichen unterirdischen Anlagen, die Le Plongeon im folgenden anspricht, sind heute als "Los Amates" bekannt. Der Zugang liegt etwa 30 m unterhalb der Pyramide. Im Inneren des Berges sind auf diese Weise zahlreiche Räume zugänglich. Es handelt sich um natürliche Höhlen, so Eduardo Noguera, die von den Erbauern der Anlagen für ihre Zwecke ausgebaut wurden. Neben diesen unterirdischen Anlagen existieren noch weitere, die allerdings heutzutage nur schwer zugänglich sind. [Noguera, 1961, S. 49-50] Wenn Le Plongeon die Ansicht äußert, in diesen Höhlen seien die Steine zum Bau der Gebäude darüber gebrochen worden, so bleibt bisher unbelegt, wie er zu dieser Ansicht kam. Völlig unwahrscheinlich ist nicht, dass beim Ausbau der Höhlen Material anfiel, das weitere Verwendung fand. Der Kern der Pyramide wurde allerdings aus Flußsteinen aufgeführt, während die äußere Verkleidung aus Porphyr besteht. [So nach Noguera, 1961, S. 33; nach Krickeberg, 1966, S. 419, Andesit.] Jedenfalls sieht Le Plongeon seine Überlegungen durch die Art der Bausteingewinnung gestützt, denn im Dialog "Kritias" heißt es: "Die Steine [zum Bau der gebäude der Metropolis von Atlantis; JD] ... wurden unter der in der Mitte liegenden Insel und unter der Innen- und Außenseite der Gürtel gehauen ..." [Krit 116a (Übers. Schleiermacher/Müller, Bd. 5, S. 226)] Die Parallelisierung der Anlage von Xochicalco mit der Bebauung der Mittelinsel der Metropolis von Atlantis entpuppt sich bei einem Vergleich der Beschreibung Platons mit dem Grundrißplan Xochicalcos als unhaltbar. Das Ensemble aus Königspalast, Tempel, Heiligem Hain und Bädern findet sich in Xochicalco nicht. [Krit 116c-117e] Text

VI. Die von ihm betrachteten Inschriften an der Pyramide sieht Le Plongeon als in Schrift und Sprache der Maya abgefaßt an. Doch die späteren Forschungen zeigten, dass dies so nicht zutrifft. Viele verschiedene Schriftsysteme und Darstellungsformen der mexikanischen Völker geben sich in Xochicalco, und auch an der Pyramide, ein Stelldichein. Der Grund hierfür liegt wohl in dem Umstand, dass die Stadt zu ihrer Blütezeit einen Kreuzungspunkt wichtiger Straßen von den Kulturzentren im Norden zu den weiter südllich liegenden bildete. So wurde Xochicalco zu einem wichtigen Handelszentrum. Der Name und die Sprache des Volkes, das diese Stadt erbaute, ist bis heute unbekannt, ebenso dessen Geschichte. Fest steht nur, dass Xochicalco im 9. oder 10. Jahrhundert seinen Anfang nahm. Es gibt unverkennbar Einflüsse der Maya-Kultur, aber auch anderer Kulturen. Einige Hierogylphen der Maya, ebenso Zahlen, aber auch Zahlen im Stil der Zapoteken finden sich an der Pyramide. In den Inschriften auf dem oberen Reliefband der Plattform zeigen sich bei den Schriftzeichen Einflüsse der Tolteken und der Nahuatl-Sprache. [Noguera, 1961, S. 41] Text

VII. Was Le Plongeon zu dem Brauch schreibt, mit gekreuzten Beinen zu sitzen, wird von anderen Maya-Darstellungen nicht bestätigt. Personen, die ebenso sitzen, sind in Piedras Negras, in Yaxchilan und in Palenque dargestellt. Auch auf Keramiken der späten Klassischen Periode (600-900 n. Chr.) und auf den Malereien von Bonampak ist diese Art zu sitzen dargestellt. Hunter verweist sogar auf Xochicalco als eines der repräsentativen Beispiele für die Darstellung von Personen, die mit gekreuzten Beinen sitzen. [Hunter, 1986, S. 104] Auch die verformten Schädel sind eher ein Zeichen für Einflüsse der Maya-Kultur, denn die künstliche Deformation des Schädels "... ist eine Sitte, die sich gleichfalls bei den Maya bis in postklassische Zeit erhalten hat", schreibt Wilfried Westphal. [Westphal, 1986, S. 45] Beide Argumente, die Le Plongeon gegen die Maya anführt, sind also nicht stichhaltig. Text


 
VIII. Der "Ausdruck der Bestürzung" bei den dargestellten Personen ist bei angehender Betrachtung der Reliefs nicht nachzuvollziehen. Die geöffneten Münder erklären sich aus den Zeichen für "Sprechen", die daneben angebracht sind. Die Haltung der Hände ist ebenso keine Abwehrhaltung, sondern kann verglichen werden mit den ritualisierten Fingerhaltungen auf anderen Reliefs, so der Grabplatte des Pacal im Tempel der Inschriften in Palenque. Die Dargestellten tragen große Tierköpfe als Helmmasken. [Krickeberg, 1966, S. 419] Bei ihnen handelt es sich wahrscheinlich um Fürsten oder Priester. Text Priester (Photo)

 
IX. Die von Augustus Le Plongeon zunächst analysierte Glyphe befindet sich auf dem breiten unteren Reliefband am Sockel der Pyramide. Dieses wird beherrscht von Darstellungen gefiederter Schlangen. Die Südseite der Pyramide zeigt zwei solche Schlangen, deren Köpfe sich jeweils am Ost- und Westende des Reliefs befinden. Dieses Motiv wiederholt sich auch auf der Nord- und Ostseite. An der Westseite sind rechts und links der Treppe kleinere Schlangendarstellungen angebracht. Die Körper der Schlangen winden sich auf der Südseite, wie auch an den anderen Seiten, vom unteren zum oberen Rand des Reliefbands. In einer abwärts führenden Windung sitzt jeweils eine der schon in Abschnitt VIII dieses Kommentars beschriebenen Personen.
Unter dem sich hochwölbenden Schangenleib sind die Glyphen angebracht. Eine dieser Glyphen ist es, der sich Le Plongeon in seiner Deutung widmet. Was Le Plongeon nicht sagt, vielleicht auch nicht wußte, ist, dass die von ihm gedeutete Glyphe sich auf der Süd-, Ost-, und Nordseite der Pyramide sechsmal wiederholt. [Prem, 1974, S. 355]
Glyphe (Photo)
Diese Glyphe zerlegt Le Plongeon in mehrere Teile und deutet diese nach dem schon in seinem Werk "Sacred Mysteries" veröffentlichten Schema. [Le Plongeon, 1886, S. XII] Um zu verstehen, wie er die Glyphe zerlegte, ist der Blick auf dieses Schema unbedingt notwendig, aber auch der Vergleich mit der tatsächlich reliefierten Glyphe an der Pyramide. So ist das von Le Plongeon zuerst besprochene Zeichen recht einfach zu finden. Es bildet den oberen Teil der Gylphe. (A) Doch wenn er dann die Krümme anführt, bleibt zunächst unklar, wo diese sich befindet. Bei einer genauen Betrachtung der Gylphe zeigt sich aber, dass Glyphe mit Buchstaben

damit die beiden voneinander abgewandten Spiralen gemeint sind, die unter dem schon genannten Zeichen gegeneinander gestellt sind. (B) Der Autor hat hier bei seiner Interpretation den Umstand schlicht unterschlagen, dass dieses Zeichen hier doppelt vorkommt. Nach seiner eigenen Glyphenliste, in der er das Zeichen kopfüber abbildete, ist die Stellung des Zeichens unwichtig. Was ist aber mit der Doppelung? Dazu gibt es keine Ausführung. [In Le Plongeon, ²1900, S. LIX, hatte er die Krümme als von einem Vulkan aufsteigenden Rauch gedeutet.]
Der unterste Teil des Zeichens ist schnell identifiziert. Die Mitte bildet eine "Kartusche" mit einem Zeichen darin (C), links und rechts von dieser finden sich die beiden eben besprochenen nach außen zeigenden Krümmen. Diese beiden Krümmen fügt Le Plongeon in seinen weiteren Ausführungen zu dem wannenartigen Zeichen zusammen, das er in seiner Liste unter dem Buchstaben "U" anführt (ebenso wie die Krümmen!).
Wie sehr die Phantasie bei der Interpretation dieses Teils der Glyphe eine Rolle spielt, zeigt der Verweis auf die Küste Amerikas "... von Neufundland bis zum Nordende des Cape Saint Roque in Brasilien ..." als Vorbild für dieses Zeichen. Schon in seinem Buch "Queen Móo" hatte er dieses Zeichen mit diesem Küstenabschnitt gleichgesetzt. [Le Plongeon, ²1900, S. LIX] Ein Blick auf eine Karte des betreffenden Küstenstreifens zeigt einen wesentlich komplizierteren Küstenverlauf, der auch bei gröbster Vereinfachung einen anderen Charakter hat, als das von Le Plongeon besprochene Zeichen. Bei einem genauen Vergleich der Wiedergabe dieses Zeichens durch Le Plongeon und auf einem modernen Photo zeigt sich seine große Willkür noch deutlicher. Zu erkennen ist, dass tatsächlich unter den beiden Krümmen noch ein waagerechter Strich und vier Kreise vorhanden sind. (D) Diese vier Kreise erwähnt der Autor nicht. Es stellt sich heraus, dass offensichtlich der Strich und die vier Kreise zusammengehören und das Zeichen für die Zahlen "5" und "4" also zusammen "9" ergeben. Die beiden Krümmen gehören nicht mit dem Strich zusammen, was die Photographie deutlich zeigt.
Die "Kartusche" selbst ist nach Le Plongeon ein eigenes Zeichen, denn das Rechteck repräsentiert nach seiner Liste die Buchstaben "B" und "P" oder das Wort "balcah" ("Das Land und seine Bewohner"). Die Kartusche hat aber tatsächlich nur die Funktion, das umschlossene Zeichen abzugrenzen.
Es bleibt noch, das in der "Kartusche" befindliche Zeichen zu betrachten. Le Plongeon sieht hier "ein Gesicht mit offenem Mund und die Kruppe eines Tieres". Tatsächlich handelt es sich hierbei um eine Glyphe, die in der Maya-Forschung den spanischen Namen "ojo de reptil" (Repitilienauge) erhalten hat. [Prem, 1974, S. 355; Caso, 1962, S. 53] Auf den Le Plongeon vorliegenden Photos war dieses Detail offensichtlich nicht sehr gut zu erkennen. Wie er allerdings zur Deutung der von ihm gesehenen Zeichen "Tierkruppe" und "Gesicht" kam, bleibt offen. In seiner eigenen Glyphenliste tauchen diese beiden Zeichen nicht auf.
Tatsächlich handelt es sich bei dem oberen Teil der gedeuteten Glyphengruppe (A) um die Feuer-Glyphe. "Diese ruht entweder auf einer "atadura" (einem Band oder einer Binde) oder einem Balken und vier Punkten, was sich alles vielleicht auf ein Datum bezieht ... ", schreibt Noguera. [Noguera, 1961, S. 35] Text

X. Die das Reliefband beherrschenden Schlangen gehören für Le Plongeon ebenfalls zu dem Gesamtensemble von schriftlichem Bericht und symbolischen Darstellungen. Die Interpretationen Humboldts und Dupaix´ verwechselte er allerdings miteinander. Während er schreibt, Humboldt habe in den an der Pyramide dargestellten Schlangen "wasserspeiende Krokodile" gesehen, so ist es tatsächich Dupaix, der davon spricht. [Dupaix, Tome I, Premiàre Partie, Notes et documents divers, 1844, S. 15, spricht von "Krokodilköpfen, die Wasser speien".] Die Schlangen werden als Personifizierung des Ozeans interpretiert. Le Plongeon sieht hier einen deutlichen Unterschied zu den Schlangen, die seiner Ansicht nach das Land und den König repräsentieren. Dem hält die moderne Forschung die Zuweisung dieser Schlangen zum Gott Quetzalcoatl entgegen. Die Schlangen tragen das Federkleid, das für diesen Gott charakteristisch ist, auch finden sich Reliefs mit Darstellungen von Muscheln, die mit diesem Gott in Verbindung gebracht werden. [Noguera, 1961, S: 35]
Welchen Teil des Reliefs Le Plongeon als Name der Schlange "Canah" ansieht, läßt sich nicht ermitteln. Nach dem "Diccinario Maya" hat das Maya-Wort "K´ANAAB" die Bedeutung "Meer". [Diccinario Maya, Mexico 1991, S. 375] Le Plongeon selbst sah das Zeichen "kan", den Schlangenkopf, als gleichbedeutend mit "Süden" und dem "südlichen Kontinent" (Südamerika) an. [Le Plongeon, 21900, S. XLII] Unterhalb der Glyphe "ojo de reptil" befindet sich jedenfalls keine weitere Glyphengruppe. Unter Umständen las er den Namen aus dem Balken und den vier Kreisen heraus. Dies läßt sich aber auch anhand seiner eigenen Buchstabenliste nicht nachweisen. Text

XI. Nach der Ausdeutung der Glyphengruppe auf dem Sockelrelief wendet sich der Autor noch kurz dem darüber befindlichen Fries zu. Hier glaubt er, die Glyphe für "Mu" erkennen zu können und Glyphen, die "Land" und "Erdbeben" bedeuten. Bei dem letztgenannten Zeichen ist nicht ersichtlich, wie Le Plongeon auf dessen von ihm vermutete Bedeutung schließt. Er selbst gibt nicht an, wie diese Zeichen angebracht sind, oder in welchem Zusammenhang sie stehen. Ein Blick auf den Fries hilft hier weiter. Es sind Gruppen von Glyphen und hockenden Personen, die etwas in der Hand halten, zu erkennen. Nach Noguera halten sie eine stilisierte Tasche oder einen Korb. Diesen "Korb" hält Le Plongeon offensichtlich für das Zeichen für das Land Mu, das in ähnlicher Form schon in seinem Buch "Queen Móo" abgebildet ist. [Le Plongeon, ²1900, S. LXIV]
Im Rücken der Personen findet sich ein Teil des Reliefs, bei dem es sich fraglos um die beiden von Le Plongeon "übersetzten" Zeichen handelt. Zu erkennen ist ein senkrechter Balken und anschließend das senkrecht stehende "Erdbebenzeichen". Die Funktion dieser Darstellung erklärt Hanns Prem: "Die skulptierten Platten des Frieses sind nur mehr zum Teil erhalten. Es ist jedoch zu erkennen, dass auf den beiden Hälften der Westseite je 2, auf der Süd- und Nordseite je 10 und auf der Ostseite 8 durch senkrechte Flechtbänder Flechtband
von einander getrennte Abschnitte bestanden haben." [Prem, 1974, S. 355] Es ist also unverkennbar, dass Le Plongeon das genannte Flechtband, eine reine Verzierung, für Schriftzeichen hielt. Kein Verzeichnis altmexikanischer Glyphen kennt dieses angebliche "Erdbebenzeichen". Auch erwähnt der Autor weder die beiden "Buckel" an dem "Balken" und auch nicht den Umstand, dass sich der "Balken" nach dem Flechtband spiegelverkehrt wiederholt. So werden die dargestellten Personen mit ihren zugehörigen Datumsglyphen voneinander abgegrenzt. Welche Bedeutung diesen Datumsinschriften zukommt, ist nicht geklärt. Während Eduardo Noguera von "Kalendernamen" der dargestellten Priester spricht, meint Walter Krickeberg, hier sei eine Kalenderreform verewigt worden, und Prem sieht eine "bedeutungsvolle zeitliche Beziehung ..." zwischen den in Relief dargestellten Daten. [Noguera, 1962, S. 36, 37 und Abb. S. 44; Krickeberg, 1966, S. 419; Prem, 1974, S. 355] Nach Eduardo Noguera wurde mit den Reliefs an der Pyramide tatsächlich ein wichtiges historisches Ereignis verewigt. Er schreibt: "... in Übereinstimmung mit der aktuellsten Interpretation folgern wir, dass dieses Bauwerk zur Erinnerung an eine Versammlung von Priestern und bedeutenden Häuptlingen erinnert, um einige Kalender.Korrekturen vorzunehmen ...". [Noguera, 1961, S. 40] Auf eine Deutung der restlichen Glyphen dieses Frieses hat Le Plongeon aus Platzmangel in seiner Darstellung verzichtet.
Text

XII. Nochmals betont Le Plongeon den von ihm angenommenen engen Zusammenhang der Darstellungen von Xochicalco mit dem von ihm aus dem Troano-Manuskript herausgelesenen Bericht über den Untergang des Landes Mu. Seine Angabe, das Datum "13 Chuen" bezeichne den 7. Februar, ist nach dem von Diego de Landa angegebenen Schema falsch. Der spanische Bischof legt den Maya-Monat "Zac" auf den Februar, aber in diesem Monat tritt der Tagesname "13 Chuen" nicht auf. Erst im Monat "Muan", der auf April und Mai fällt, ist der 13 Chuen der 29. April. [de Landa, 1990, S. 98 (Zac) und S. 105-106 (Muan)] Text

XIII. Bevor er die Reliefs von Xochicalco kennenlernte, hatte Augustus Le Plongeon schon vier Maya-Überlieferungen ausgemacht, die seiner Ansicht nach vom Untergang der Insel Atlantis berichteten. Dies ist zunächst folgender, in der Atlantis-Literatur öfters zitierte Abschnitt, den Le Plongeon aus dem Troano-Manuskript herauslas: "Im Jahr 6 Kan, am elften Muluc, im Monat Zac, kam es zu fürchterlichen Erdbeben, die ohne Unterbrechung bis zum 13 Chuen andauerten. Das Land der Schlammhügel, das ´Land von Mu´ wurde geopfert. Zweimal emporgehoben, verschwand es plötzlich während der Nacht, während das Becken ununterbrochen von vulkanischen Kräften geschüttelt wurde. Eingeschlossen verursachten diese das mehrmalige Auf- und Absteigen des Landes an verschiedenen Orten. Zuletzt gab die Oberfläche nach und zehn Länder wurden auseinandergerissen und wurden in Einzelheiten zerstreut. Unfähig, der Kraft dieser seismischen Erschütterungen zu widerstehen, versanken sie mit ihren 64.000.000 Einwohnern, 8060 Jahre, bevor dieses Buch geschrieben wurde." [Le Plongeon, ²1900, S. 147, Tafel LIV. S.a. Stemman, 1980, S. 73 und de Camp, 1970, S. 44-45.]
Den zweiten, umfangreicheren Bericht glaubte er im "Codex Cortesianus" ausmachen zu können.
Als dritten Maya-Bericht gibt er die Inschriften auf dem Türsturz der Inneren Kammer des "Akab-zib" genannten Hauses in Chichen Itza an.
Zum vierten Bericht schreibt Le Plongeon: "Der vierte wurde Tausende von Meilen entfernt von Mayach geschrieben, in Athen, der prächtigen griechischen Hauptstadt, in der Form eines epischen Gedichts, in der Sprache der Maya. Jede Zeile des besagten Gedichts, gebildet durch ein zusammengesetztes Wort, ist der Name eines der Buchstaben des griechischen Alphabets, ..." Wie er in seinen Ausführungen darlegt, geht Le Plongeon tatsächlich davon aus, dass das griechische Alphabet, wie wir es heute kennen, seine Anordnung erhielt, um auf diese Weise den Bericht vom Untergang der Insel Atlantis zu erhalten. Der fünfte Bericht, aus der Glyphe von Xochicalco "übersetzt", rundet das Bild dieser willkürlichen "Forschung" ab. [Siehe die Liste in Le Plongeon, ²1900, S. XVIII. Im Einzelnen: Codex Troano: S. 147 und Tafel LIV; Codex Cortesianus: S. 147 und Tafeln LV-LVI; Türsturz: S. 146 und Tafel LIII; grch. Alphabet: S. 150-153.] Text

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Schluss

Die Werke von Augustus Le Plongeon werden noch immer gelesen, die der 1972 publizierte Nachdruck seines Buches "Sacred Mysteries" beweist. Daher ist eine eingehende Analyse wie die hier vorgelegte sicherlich nicht ohne Sinn. Seine Arbeitsweise ist charakteristisch für die Atlantis-Forschung am Beginn des 20. Jahrhunderts. Weit hergeholte Gemeinsamkeiten aus verschiedenen, durch zehntausende von Kilometern getrennten Kulturen, die nicht einmal gleichzeitig existierten, waren zu seiner Zeit gang und gäbe. Die Archäologie Mittel- und Südamerikas steckte noch in den Anfängen, sichere Datierungen waren nicht möglich. So war das Feld bereit auch für weitreichende Spekulationen. Und Atlantis war zu dieser Zeit, als die Geologie kaum begonnen hatte, den Atlantikboden zu erforschen, geologisch noch denkbar. Ebenso waren die Mechanismen der Bewegung der Kontinentalplatten noch unbekannt, das nur eine Nacht dauernde Versinken eines Kontinents noch denkbar. Allerdings blieb Le Plongeons Enfluß auf die Atlantis-Forschung minimal, andere Entwürfe erschienen wohl schon seinerzeit plausibler. Insbesondere das von Igantius Donnelly verfaßte Buch "Atlantis - The antediluvian World", das 1882 erschienen war, dürfte den damaligen Leser mehr angesprochen haben. Donnellys Schlüsse lassen auch viel zu wünschen übrig, er verwendet oft ähnliche Querverbindungen wie Le Plongeon, doch bleibt das Buch nüchterner. Wenn auch die Xochicalco-Pyramide nichts von der Atlantis-Katastrophe berichtet, hat Augustus Le Plongeon aber doch auf ein Bauwerk hingewiesen, mit dem eine Auseinandersetzung sich lohnt.

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Literatur

Camp, Sprague und Catherine de, Geheimnisvolle Stätten der Geschichte, Gütersloh o.J.
Caso, Alfonso, Calendario y escritura en Xochicalco, in: Revista Mexicana, Vol. 18 (1962), S. 49-79
Davies, Nigel, Die versunkenen Königreiche Mexikos, Frankfurt a.M./Berlin/Wien 1985 [1982]
Dendl, Jörg, Platons Atlantis - Mythos, Forschung und Kritik, G.R.A.L.-Sonderband 6, Berlin 1994
Dupaix, Guillaume, Antiquités mexiacaines, Paris 1844
Helfritz, Hans, Die Götterburgen Mexikos, Schauberg 1968
Hunter, Bruce C., A Guide to Ancient Maya Ruins, Norman/London 21986
Krickeberg, Walter, Altmexikanische Kulturen, Berlin 1966
Landa, Diego de, Bericht aus Yucatán, Carlos Rincón (Hg.), Leipzig 1990
Le Plongeon, Augustus, Sacred Mysteries among the Maya and the Quiches 11,500 years ago, New York 1886
Le Plongeon, Augustus, Queen Móo and the egyptian Sphinx, New York ²1900 [1895]
Morley, An Introduction to the study of the Maya Hieroglyphs, New York 1975
Noguera, Eduardo, Archaeological Sites of the State of Morelos, Mexiko 1961
Platon, Sämtliche Werke, Bd. 5: Politikos - Philebos - Timaios - Kritias, Hamburg 1987 [1959]
Prem, Hanns J., Überlegungen zu den chronologischen Angaben auf der Pyramide der gefiederten Schlange, Xochicalco, Morelos, in: Ethnologische Zeitschrift Zürich, Vol. I (1974), S. 351-364
Prem, Hanns J./Dykerhoff, Ursula, Das Alte Mexiko, München 1986
Stemman, Roy, Ungelöstes Rätsel Atlantis, Frankfurt a.M./Berlin/Wien 1980 [1976]
Westphal, Wilfried, Die Maya, München 1986

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Xochicalco im Internet

Bilder der Pyramide von Xochicalco finden sich im Mesoamerican Photo Archives
Eine weitere Darstellung zu Le Plongeon und Atlantis findet sich bei Atlantia.de.

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